Heute wird es für zigtausend Bahnfahrer ungemütlich. Neben den üblichen Verspätungen und Zugausfällen müssen sie sich auf weitere Unannehmlichkeiten infolge des angekündigten Warnstreiks einrichten. Viele Pendler werden aufs Auto umsteigen, einige der Bahn längerfristig den Rücken kehren. Den genauen Hintergrund der Protestaktion dürften die wenigsten Betroffenen kennen. Obwohl es sich lohnt, den Konflikt genauer zu betrachten. Es geht um gerechte Bezahlung - ein Thema, das nicht nur bei den deutschen Bahnunternehmen zurzeit kontrovers diskutiert wird. Die Gewerkschaften verlangen gleichen Lohn für gleiche Arbeit. Ein Branchentarifvertrag soll dies gewährleisten.

Prinzipiell ist gegen diese Forderung nichts einzuwenden. Doch die Frage ist: Wie viel sollen die Beschäftigten künftig verdienen? Die Gewerkschaften wollen die Gehälter nach oben an das Niveau der Deutschen Bahn angleichen. Aber das würde viele kleine Wettbewerber finanziell überfordern, ihnen einen wichtigen Wettbewerbsvorteil gegenüber dem mächtigen Ex-Monopolisten nehmen.

Die Deutsche Bahn überweist ihren Arbeitnehmern zum Teil satte 20 Prozent mehr als die private Konkurrenz. Würden die Lohnkosten bei den kleinen Anbietern um diesen Satz steigen, hätten sie bei Streckenausschreibungen kaum noch eine Chance gegen den Staatskonzern. Denn die Deutsche Bahn könnte ihre Kostenvorteile im Einkauf noch stärker als bisher im Wettbewerb ausspielen. Deshalb sollten sich die Tarifpartner auf ein Mindestniveau bei den Einkommen einigen und die Tarife erst auf lange Sicht stärker angleichen.