Begegnungen mit der Pflanzenkennerin und Naturschützerin waren bereichernd und ansteckend. Und das generationenübergreifend

Hamburg. Ein "bescheidenes Pflänzlein" führte uns zusammen. Sie, im Alter meiner Großmütter, die Gattin eines ehemaligen Bundeskanzlers, und mich, gerade eben der Universität und der Journalistenschule entwachsen. Es war ein Pressetermin an diesem 18. Oktober 2001, wie Loki Schmidt ihn schon unzählige Male in ihrem bis dato 82-jährigem Leben absolviert hatte. Ich stellte eine bescheidene Frage am Ende, zum Hain-Veilchen, der Blume des Jahres 2002. Frau Schmidt sah mich an.

Sie konnte Personen ziemlich scharf mustern, und als sie mich hinterher zu sich rief, hatte ich das Gefühl, zum Verhör gebeten zu werden. Doch sie, die ehemalige Volksschullehrerin, war einfach nur neugierig. An meiner Frage hatte sie erkannt, dass ich ein wenig Ahnung von Pflanzen hatte, und wollte wissen, warum. "Sie sind Biologin, wie schön!", freute sie sich, und schon fand ich mich in den Tiefen der Veilchen-Merkmale wieder. Von da an sahen wir uns häufiger auf Terminen.

Wenn Loki Schmidt etwas wichtig war, zog sie mich am Ärmel zu sich hin. Oder sie schrieb mir einen Brief. "Ihre Berichte über Hagenbeck sind schön und gut, aber jetzt wäre auch mal wieder der Botanische Garten dran, finden Sie nicht?", stand zum Beispiel in einem Weihnachtsbrief, der handschriftlich und mit einer ihrer selbst angefertigten Pflanzen-Zeichnungen ganz unschuldig ausgesehen hatte.

Pflanzen zu zeichnen, einmal sogar für ein eigenes Rosenthal-Service, war ihr Hobby. Eines, das die große Zuneigung zu den Objekten zeigte, für deren genaue Betrachtung sie sich gerne die Zeit nahm.

In ihrem Garten in Langenhorn, im Mai vergangenen Jahres, brauchte sie zwar bereits einen Rollator, jedoch keinen zweiten Blick, um jede noch so kleine Pflanze zu bestimmen und sie mit dem Zeitpunkt des gemeinsamen Kennenlernens vorzustellen wie einen alten Bekannten. Und das waren Pflanzen für Loki Schmidt: Weggefährten, wichtige Bestandteile ihres Lebens. Eines Lebens, das sie in den vergangenen Jahren kritisch betrachtete und mit ihren Gedanken darüber auch nicht hinter dem Berg hielt.

So erschreckte sie mich fürchterlich, als sie mir bereits 2007 völlig unvermittelt, hinter vorgehaltener Hand zuraunte. "Ich mag nicht mehr. Es ist furchtbar, wenn man mit ansehen muss, wie der eigene Körper aufhört zu funktionieren." Da saß sie vor mir, die große Loki Schmidt, diese starke Persönlichkeit. Mit 88 Jahren immer noch äußerst sorgsam gekleidet, Brosche und Ohrringe aufeinander abgestimmt, und nahm mit festem Händedruck meine Hände in ihre. Ich weiß nicht mehr, was ich ihr geantwortet habe, um sie aufzumuntern, doch es muss ein kläglicher Versuch gewesen sein. Denn das erste Mal in all den Jahren schenkte sie mir einen Blick, der mir deutlich machte, dass ich von einer Sache keine Ahnung hätte, noch nicht haben konnte.

Während ihr der Körper in den folgenden Jahren immer mehr Sorgen bereitete, sie jedoch mit eisernem Willen immer wieder auf die Beine kam, blieb ihr Geist wach. Ebenso wie ihr trockener Humor. So erzählte sie mir, wie sie mit der Familie 1961 nach Langenhorn gezogen war und in den ersten Jahren abends oft mit ihrem Mann am Zaun zum angrenzenden Weizenfeld gestanden und den Wachteln gelauscht hatte. Ihr Mann könne die Rufe wunderbar nachmachen, verriet sie mir. Um auf meine Nachfrage, ob sie ihm das beigebrachte habe, zu antworten: "Nein. Die Wachteln."

Generationen haben etwas von ihr gelernt, haben sich anstecken lassen von ihrer zutiefst empfundenen Liebe zur Natur und dem Bedürfnis, diese zu schützen. Auch in mir hat sie etwas gesät. Alles andere als ein bescheidenes Pflänzlein.