Loki Schmidt war Deutschlands bekannteste Naturschützerin, ihr Engagement als Botanikerin ansteckend

Hamburg. Was bleibt, wenn jemand geht? Und was bleibt erst, wenn eine so populäre, engagierte und streitbare Frau wie Hannelore Schmidt geht? Das, was "Loki" Schmidt hinterlässt, ist weitaus mehr als die 90 "Loki-Schmidt-Beete", die in ganz Deutschland angelegt wurden. Mehr als die beiden Ananasgewächse (Bromelien) Puya lokischmidtiae und Pitcairnia lokiae sowie der Skorpion Tityus lokiae, die nach ihr benannt wurden. Und auch mehr als der Titel einer Ehrensenatorin der Hamburger Universität, der ihr anlässlich ihres 80. Geburtstags verliehen wurde.

Mit Loki Schmidt verliert Hamburg, verliert Deutschland eine starke Frau, die sich vor allem in der zweiten Hälfte ihres facettenreichen Lebens unermüdlich für den Naturschutz eingesetzt hat. Eine Frau, die von sich selbst sagte, dass sie einfach nur permanent neugierig geblieben sei, die nicht einfach bloß als "Schirmherrin" und Kanzlergattin auftreten wollte, sondern bereits 1976 das "Kuratorium zum Schutze gefährdeter Pflanzen" mitbegründete, aus dem drei Jahre später die "Stiftung zum Schutze gefährdeter Pflanzen" hervorging. Mit dieser Institution, die Mitte der 1980er-Jahre mit der "Stiftung Naturschutz Hamburg" fusionierte, intensivierte Loki Schmidt ihre Arbeit als Botanikerin und Naturschützerin. Damit holte sie das nach, was ihr in ihrer Jugend verwehrt geblieben war. Es war ihre zweite Bestimmung. Unermüdlich warb sie für mehr Umsicht im Umgang mit der Natur. Sie war sich für keine Strapaze zu schade. Sie sah sich zeit ihres Lebens als Anwältin gefährdeter Pflanzen und begleitete, solange es ihre Gesundheit zuließ, jedes Jahr Wissenschaftler auf botanischen Forschungsreisen um die Welt. Ihr frühzeitiges Engagement für den Naturschutz hat die öffentliche Wahrnehmung für diese Frage geweckt und geschärft.

Seit 1980 benannte Loki Schmidt im Namen der Stiftung die "Blume des Jahres". Die erste war der Lungen-Enzian. Ausgerechnet an Loki Schmidts Todestag, am gestrigen Vormittag um elf Uhr, gab Axel Jahn, 48, erst seit Anfang Oktober neuer Geschäftsführer der Stiftung, ahnungslos bekannt, dass die Moorlilie die "Blume des Jahres 2011" sei. Mit ihrer Wahl will die Stiftung nicht nur auf die gefährdete Pflanze, sondern auch auf deren ebenso bedrohten Lebensraum, das Moor, aufmerksam machen: Denn werden Moore entwässert, nehme dies den dortigen Tieren und Pflanzen die Lebensgrundlage, betonte Jahn, wobei die Stiftung in diesem Jahr auf eine Präsentation der gekürten Blume verzichtete, auch wenn Loki Schmidt die Moorlilie mit einer Zeichnung noch selbst verewigt hatte.

"Sie war eine ganz wichtige Persönlichkeit", sagt ein fassungsloser Axel Jahn, der seit 14 Jahren für die Loki-Schmidt-Stiftung arbeitet, "und ich habe bestimmt noch nie einen Menschen kennengelernt, der so integer war. So wie Loki Schmidt an ihre Arbeit herangegangen ist, ja, ganz nah ranging, das hat mich immer fasziniert. An abstrakten, überhöhten Dingen war sie nicht interessiert. Und wir sehen es selbstverständlich als unseren Auftrag an, in ihrem Sinne zu agieren, weiterzumachen und den Naturschutz mit der Stiftung nach vorne zu bringen."

Loki Schmidt kam ihrer Umwelt, ihren Mitmenschen stets mit gespannter Aufmerksamkeit entgegen und konnte sie deshalb zumeist für sich gewinnen. "Ich kenne niemanden", hat ihre Tochter Susanne einmal gesagt, "der meine Mutter nicht leiden kann." Dabei konnte Loki Schmidt jedoch durchaus auch ein wenig oberlehrerhaft daherkommen, vor allem dann, wenn ihr Gegenüber Ignoranz in naturwissenschaftlichen Dingen erkennen ließ. Da kannte sie kein Pardon. Da brach dann die ehemalige Volksschullehrerin durch, die nicht lockerließ, bis die Wissenslücken gefüllt waren.

Ab den 1990er-Jahren trat Loki Schmidt zusätzlich als erfolgreiche Buchautorin in Erscheinung. Zuerst waren es mehrere Veröffentlichungen über botanische Themen, wobei das 1997 erschienene Buch über "Die Botanischen Gärten in Deutschland" inzwischen als Grundlagenwerk angesehen wird. Ihre Erinnerungen "Erzähl doch mal von früher" schafften es in die Bestsellerliste - zur gleichen Zeit übrigens, als auch die politischen Erinnerungen ihres Mannes dort platziert waren. Jüngst ist ein weiteres Buch der ehemaligen "Kanzlergattin" erschienen. Der Titel "Auf dem roten Teppich und fest auf der Erde" spiegelt dabei die Lebenseinstellung der Loki Schmidt wider, die erstmals Einblick in ihr abgeschottetes Leben an der Seite ihres Mannes in den Jahren 1974-1982 gewährte: Wie änderte sich ihr Leben mit dem Eintritt ihres Mannes in die Politik? Welche Aufgaben musste sie als Gattin eines Regierungschefs bewältigen? Was hat sie aus den Möglichkeiten gemacht, die sich ihr auf der öffentlichen Bühne boten?

Loki Schmidt hat viel zu erzählen: von Ellenbogenstößen der Ceausescus, von Frikadellen à la Adenauer oder einer aufmüpfigen Farah Diba am persischen Hof. Mit Knicksen konnte und wollte sie nicht dienen: Offen erzählt sie von der Herkunft aus einfachen Verhältnissen bis zu der Zeit als Kanzlergattin, von den Reisen in die Ferne bis hin zum Eintreten für den Naturschutz. Doch trotz des ganzen Glanzes und Gloria ist Loki Schmidt sich stets treu geblieben. Auch das ist ein Vermächtnis, vor allem für die nachfolgenden Politikerfrauen-Generationen: Loki Schmidt hat es geschafft, als Frau an der Seite eines hoch angesehenen Politikers eine ganz eigene Lebensleistung zu erbringen. Sie wurde zu einer Naturschützerin von internationalem Ruf. Nur wer sie dafür als "emanzipierte Frau" bezeichnete, durfte erfahren, dass sie diesen Begriff nicht leiden mochte. "Ich kann dieses Getue über Frauen und Berufstätigkeit nicht verstehen", sagte sie in einem ihrer letzten Interviews in der "Zeit", "für uns war es völlig normal, berufstätig zu sein. Häufig haben nach dem Krieg Frauen ihren Männern das Studium ermöglicht."