Der ADAC sieht den Norden Deutschlands benachteiligt und fordert eine Bauoffensive für Autobahnen. Scharfe Kritik gibt es vom BUND.

Hamburg. Wenn es nach dem ADAC ginge, müsste der Ausbau des Autobahnnetzes rund um Hamburg ganz oben auf der Prioritätenliste des Bundesverkehrsministers stehen. Eine aktuelle Studie des Automobil-Clubs räumt Autobahn-Neubauten im Norden absoluten Vorrang ein. Allein neun der 35 wichtigsten Bauprojekte in Deutschland sehen die Verkehrsexperten in und um Hamburg.

Technik-Vorstand Hartwig Goldenbaum vom ADAC Hansa, einer der 15 an der Studie beteiligten Regionalklubs, fordert deshalb den Hamburger Senat auf, sich aktiv für die Neubaupläne einzusetzen. Und zwar nicht nur auf Hamburger Gebiet. Die Hansestadt würde schließlich ungemein profitieren, käme der Ausbau in Niedersachsen oder Schleswig-Holstein voran.

Entsprechend fordert Goldenbaum vom Senat einen Schulterschluss mit den Nachbarländern und mehr Bereitschaft, "mit intelligenten Lösungen" - etwa der Vorfinanzierung der Pläne für klamme Bundesländer wie Schleswig-Holstein - den Ausbau voranzutreiben.

Auf der ADAC-Prioriätenliste stehen die in ihrer Streckenführung noch umstrittene Hafenquerspange A 252, die A 20 von Stade nach Bad Segeberg samt Elbquerung, die A 26 von Stade nach Hamburg und der A-39-Neubau von Lüneburg nach Wolfsburg. Etwas weniger wichtig sei es, die Ostumfahrung namens A 21 zwischen A 1 und A 250 (zwischen Bargteheide und Winsen) und auf der A 21 zwischen Kiel und Nettelsee zu vollenden sowie der Neubau der A 14, die von Magdeburg aus im Norden auf die A 24 (Hamburg-Berlin) treffen soll.

Zwar sind diese Projekte nicht neu und schon im aktuellen Verkehrsentwicklungsplan enthalten, allerdings nur auf hinteren Plätzen. Die jüngste Studie ergebe jedoch eine völlig neue Prioritätenverteilung und stelle die norddeutschen Neubauprojekte in der bundesweiten Bedarfsliste nach vorn, so der verkehrspolitische Sprecher des ADAC Hansa, Carsten Willms. Die Begründung der Verkehrsexperten: Diese Projekte würden den innerstädtischen Verkehr Hamburgs stark entlasten.

In die Studie, die in den für 2015 erwarteten Verkehrsentwicklungsplan eingehen und bald von Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) vorgestellt werden soll, seien aktuelle Mobilitätsuntersuchungen eingeflossen, erklärt Willms. Demnach stagniere der Individualverkehr in Hamburg. Dafür steige der Anteil des Lkw-Verkehrs um jährlich drei bis vier Prozent ebenso wie der Autobahnverkehr, weil es immer mehr Pendler gebe, insbesondere zwischen den neuen und alten Bundesländern. Verkehr, den der ADAC aus der Stadt auf die Autobahnen verlagern will.

Kritik an den Plänen des ADAC kommt hingegen vom BUND. "Der Bundesverkehrswegeplan 2003 ist schon jetzt hoffnungslos unterfinanziert und die norddeutschen Autobahnprojekte nur mit wenigen Ausnahmen im vorrangigen Bedarf. Vorhaben wie die Hafenquerspange oder auch die Ost-Umfahrung Hamburgs (A 21) werden nicht kommen - da hilft auch keine Übernahme von Planungskosten seitens des ohnehin klammen Hamburger Haushalts", sagt Manfred Braasch, Landesgeschäftsführer des BUND Hamburg.

Der ADAC sei gut beraten, die Grenzen des Wachstums zu erkennen. "Mehr Autobahnen sind Rezepte der Vergangenheit und lösen kaum die bedrohlichen Probleme wie Klimawandel, grassierender Flächenverbrauch oder den Verlust von Lebensqualität durch Lärm und Luftschadstoffe. Mobilität muss zukünftig anders organisiert werden - auch im Güterverkehr."