Der Börsenhändler Kerviel muss ins Gefängnis - ein Einzelfall.

Das Urteil des Pariser Gerichts ist so deutlich wie drakonisch. Der französische Wertpapierhändler Jérome Kerviel muss drei Jahre ins Gefängnis und den von ihm angerichteten Schaden in Höhe von 4,9 Milliarden Euro seiner Bank Société Générale zurückzahlen. Das Urteil mag Genugtuung auslösen in einer Gesellschaft, die Banker längst gern Bangster nennt. Und doch dürfte Kerviel einer der ganz wenigen Täter sein, die im Zuge der Finanzkrise verurteilt wurden. Er hat als kleiner Händler mit Summen von bis zu 50 Milliarden Euro ein zu großes Rad gedreht. Doch verurteilt wurde Kerviel nicht für das Zocken, sondern für Veruntreuung und Fälschung. Hätte er dieselben Geschäfte als Vorstand getätigt, wäre er vermutlich kaum zu belangen gewesen. Hängt man also die Kleinen, und die Großen lässt man laufen?

Zwei Jahre, nachdem die Pleite der US-Bank Lehman Brothers die Weltwirtschaft an den Rand des Abgrundes gezogen hat, zeichnet sich ab: Juristisch wird diese Krise nicht aufzuarbeiten sein. Bislang sind nur sehr wenige Täter verurteilt worden, denen man Pflichtverletzungen nachweisen konnte. Der deutsche Bankmanager Stefan Ortseifen etwa bekam wegen Marktmanipulation eine Bewährungsstrafe, gegen andere Angeklagten wurden die Verfahren nach Zahlungen eingestellt. Andere Zocker, denen man keine Pflichtverletzungen nachweisen konnte, sitzen mit üppigen Pensionsansprüchen im sonnigen Süden.

Das alles untergräbt das Vertrauen in unser Rechts- und Wirtschaftssystem. Schätzungen taxieren die Kosten der Finanzkrise auf mehr als zehn Billionen Dollar, die bislang geführten Verfahren drehen sich hingegen um Peanuts. Und doch tragen die Gerichte die geringste Verantwortung an dieser Ungerechtigkeit: Zum einen fehlen der Justiz die ermittlerischen Mittel, zum anderen die gesetzlichen Möglichkeiten, die Zocker zu stoppen. Während Investmentbanken längst global agieren, handeln Finanzaufsicht und Strafverfolgungsbehörden eher national. Und so schlimm es ist: Gewinne zu privatisieren und dann die Verluste dem Steuerzahler aufzubürden, ist zwar pervers, aber nicht verboten.

Dies ist also nicht die Stunde der Gerichte, sondern der Regierungen. Sie müssen handeln - und zwar im Konsens. Doch seitdem die Krise überwunden zu sein scheint, blicken viele Regierungschefs lieber auf die eigenen Vorteile eines starken Finanzsektors als auf die Gefahren. Radikale Reformen stehen noch aus. Das Kasino ist wieder geöffnet - und verspricht weiterhin Genuss ohne Reue.