Eine Glosse von Iris Hellmuth

Den Anfang der Geschichte fand ich eigentlich ganz witzig. Es war 7 Uhr morgens, die Sonne ging auf, da zitterte plötzlich meine Matratze rhytmisch im Takt eines undefinierbaren Gegrolls - der Aufprall einer Abrissbirne, wie sich beim Blick aus dem Fenster herausstellte. Es traf das Haus in meinem Hinterhof. Sollen sie doch, dachte ich mir, gibt am Ende mehr Licht für alle. Hätte ich damals gewusst, was mich tatsächlich erwartet, hätte ich das wohl weniger lustig gefunden. Denn die Abrissbirne in meinem Hinterhof war nichts anderes als ein Vorbote der Hölle. In Stadtplanersprech übrigens: Entwicklungsquartier. So nennen sie jetzt die Straßen von Altona, zwischen Großer Bergstraße und Max-Brauer-Allee.

In der Hölle beginnen die Bauarbeiten an guten Tagen um sieben, an schlechten auch früher. Den Sound von Stahlsäge und Presslufthammer bekomme ich inzwischen auch stereo - vor meiner Haustür werden wahlweise Bürgersteig oder Asphaltdecke aufgerissen. Wobei meine Theorie noch immer ist, dass sie am Ende einfach die Bürgersteige verschmälern, damit mehr Platz für die SUVs der neuen Mieter bleibt. Auch sonst lerne ich jeden Tag dazu: Die meisten Bauarbeiter kenne ich mit Vornamen, bleibt halt nicht aus, wenn der Wladimir den Günter über die halbe Baustelle brüllend nach der Uhrzeit fragt. Ich kann jetzt Raupenbagger von Radbaggern unterscheiden und Sielarbeiten von Stromkabelgräben, vor allem aber kann ich seit Tagen eines nicht mehr: schlafen. Es gibt nämlich eine weitere Neuerung in meiner Straße - die Nachtbaustelle.