Eine Glosse von Elisabeth Jessen

Wie viel entspannter es doch ist, mit Freunden zu essen als mit dem Chef. Wer "Der kleine Nick", der gerade im Kino läuft, gesehen hat, weiß, wovon die Rede ist. Die Gattin des Hauses will auftrumpfen und Hummer kredenzen. Der Ehegatte arbeitet schließlich auf seine Beförderung hin. Als dessen Chef nach dem Aperitif kundtut, wie sehr er sich nun auf Hausmannskost freue, wird die Hausfrau hektisch, reißt dem kleinen Nick, der in der Küche Dosen-Ravioli isst, den Teller unter der Nase weg und serviert die gefüllten Nudeln. Zu dumm, dass darunter auch eine angebissene ist. Woraufhin die Hausfrau, die vor Nervosität mehr als ein Gläschen getrunken hat, vom Stuhl kippt.

Da lobe ich mir doch Einladungen im Freundeskreis. Unsere Freunde wollten den Herbstanfang kulinarisch einläuten: Es gab Rehkeule. Dazu Klöße, Kartoffeln, gebratene Pfifferlinge, Rotkohl, Preiselbeeren und leckere Sauce. Das ganze Programm. Das Messer glitt mühelos durch die mürbe Rehkeule. Doch das wohlige allgemeine Seufzen nach dem ersten Bissen blieb aus. "Vielleicht war es ein bisschen zu lange im Ofen?", fragte ich vorsichtig. Das Fleisch zerging nicht auf der Zunge, es war breiig, erinnerte in seiner Konsistenz an Leberpastete. Der Gastgeber erlöste die Runde: "Das esse ich nicht", sagte er entschieden. Daraufhin schoben alle erleichtert ihr Reh an den Tellerrand. Auf das Angebot, beim China-Service Essen zu bestellen, ging keiner ein. Beilagen machen schließlich auch satt.

Die Pfifferlinge hatten unsere Freunde glücklicherweise nicht im Wald gesammelt, sondern beim Gemüsemann ihres Vertrauens gekauft.