Dr. Bernd Parusel, 34, ist Diplompolitologe und wissenschaftlicher Mitarbeiter im Bundesamt für Migration und Flüchtlinge.

Hamburger Abendblatt:

1. Wie erklären Sie sich den Aufstieg der rechten Schwedendemokraten?

Bernd Parusel:

Schweden hat in den letzten Jahren eine sehr liberale Zuwanderungspolitik verfolgt und viele Menschen aufgenommen. Unter dem Eindruck der Wirtschaftskrise ist nun die Frage thematisiert worden, wie es um Schweden als Einwanderungsland bestellt ist, was die Aufnahme von Asylbewerbern kostet und ob die Immigranten eine Konkurrenz am Arbeitsmarkt darstellen. Viele sind verunsichert.

2. Ist die schwedische Konsensgesellschaft damit auch angeschlagen?

Parusel:

Das war sie vorher schon, aber es hat sich nicht so geäußert. Auch die Verluste der Sozialdemokraten, die Schweden so lange dominiert haben, sind ein Zeichen für gesellschaftliche Zersplitterung und einen Verlust des Zusammenhaltes. Inzwischen gibt es auch die soziale Gleichheit früherer Jahre nicht mehr in dem Maße.

3. Muss man den Einzug der Schwedendemokraten als Ergebnis einer bloßen Protestwahl werten oder werden sie dauerhaft im Reichstag sitzen?

Parusel:

Die Beispiele der Nachbarn Dänemark und Norwegen weisen eher darauf hin, dass dies eine dauerhafte Entwicklung ist. Dort sind die Rechten viel stärker und auch viel radikaler in ihren Aussagen. In Schweden stellt sich den anderen Parteien die Frage, ob sie die Rechten isolieren oder mit ihnen zusammenarbeiten wollen.

4. Wie kommt es, dass gerade in den toleranten Staaten wie den Niederlanden oder in Skandinavien solche Parteien reüssieren?

Parusel:

Man muss berücksichtigen, dass die Meinungsfreiheit etwa in Schweden auch verfassungsfeindliche Äußerungen abdeckt. Radikale Kräfte dürfen fast alles sagen; nicht einmal nationalsozialistische Aussagen werden bestraft.

5. Gibt es auch hier einen "Sarrazin-Effekt", dass die Bürger meinen, ihre Sorgen bezüglich der Migranten würden von den etablierten Parteien nicht ernst genommen?

Parusel:

Das kann ich mir schon vorstellen. Relativ zur Einwohnerzahl hat Schweden wesentlich mehr Flüchtlinge aufgenommen als Deutschland und auch mehr Arbeitskräfte zuziehen lassen. Bei sozial benachteiligten Schweden könnte schon die Frage auftauchen: Warum brauchen wir Migranten, wenn wir selber keine Arbeit haben? Und dann melden sich die Rechtspopulisten zu Wort und fragen: Warum wird bei Versicherungsleistungen und Arbeitslosenhilfe gekürzt - wenn uns die Zuwanderung so viel kostet? Dabei haben die regierenden Parteien tatsächlich eine sehr vernünftige und zukunftsorientierte Zuwanderungspolitik gemacht.