Die CDU-Politikerin Erika Steinbach und der SPD-Mann Thilo Sarrazin haben sich selbst ins Abseits manövriert.

So recht kann man sich Thilo Sarrazin beim Golfspielen nicht vorstellen. Einer, der überall Krach anfängt, denkt man sich, ist für eine so kontemplativ-ruhig angelegte Sache wie Golf nicht geeignet. Andererseits kann der 65-Jährige jetzt jedes einzelne seiner wenigen Hobbys sehr gut gebrauchen, denn demnächst wird er beruflich nicht mehr viel zu tun haben. Den Job in der Vorstandsetage der Deutschen Bundesbank ist er Ende des Monats los, und in der SPD würden die meisten diesen Genossen sowieso lieber heute als morgen von hinten sehen. Eine politische Wiederauferstehung ist trotz der vielen unbestrittenen Verdienste, die sich Sarrazin im Laufe der Jahre erworben hat, beim besten Willen nicht mehr vorstellbar.

Dasselbe gilt für Erika Steinbach. Die Vertriebenen-Präsidentin hat sich ebenfalls gerade um die Früchte ihres langen politischen Engagements gebracht und will sich nun gekränkt aus dem CDU-Bundesvorstand zurückziehen. "Ich stehe dort für das Konservative, aber ich stehe immer mehr allein", klagte die 67-Jährige in dieser Woche. Stunden, nachdem sie die CDU-Klausur mit dem kiebigen Zwischenruf aufgemischt hatte, sie könne es "leider nicht ändern, dass Polen bereits im März 1939 mobil gemacht" habe! Im Fall Steinbach war das der Satz, der das Fass zum Überlaufen brachte. Danach stand sie tatsächlich alleine da. Und als der Unionsfraktionsvorsitzende Volker Kauder der versammelten Hauptstadtpresse anschließend zähneknirschend versicherte, niemand habe vor, die Kriegsschuld der Deutschen zu relativieren, war seine halsstarrige Parteifreundin bereits abgetaucht.

Jetzt sind Sarrazin und Steinbach die Parias der großen Volksparteien. Sie selbst halten sich allerdings eher für Märtyrer, und dieses Märtyrertum verbindet. Ihrer eigenen Parteivorsitzenden Angela Merkel hat Erika Steinbach am vergangenen Mittwoch zugerufen, Sarrazin habe mit seinen Thesen zur Integrationsunwilligkeit und Integrationsunfähigkeit vieler in Deutschland lebender Muslime vollkommen recht; und dass es besser gewesen wäre, diesen Mann - der früher "auf dem Scheiterhaufen" gelandet wäre! - zu unterstützen, statt ihn öffentlich abzukanzeln. "Wir hätten sagen sollen: Sarrazin nimmt doch nur die Integrationspolitik der Union auf", so Steinbach zornerfüllt.

Die SPD will Thilo Sarrazin nun nach 36-jähriger Mitgliedschaft ausschließen, das Tischtuch zwischen Steinbach und der CDU-Führung gilt als zerschnitten.

Beide haben die Geduld ihrer Parteien überstrapaziert. Sarrazin durch seine ungehobelte Art, mit der er wahlweise auf Hartz-IV-Empfänger oder Türken losging. Den einen empfahl er, zu Hause gefälligst mal einen dicken Pullover anzuziehen, statt die Heizung aufzudrehen, den anderen warf er vor, "ständig neue kleine Kopftuchmädchen" zu produzieren. Steinbach nervte die Unionsspitze damit, dass sie Monate lang nicht bereit war, auf ihren Sitz im Beirat der Stiftung Flucht, Vertreibung, Versöhnung zu verzichten, was zur Verstimmung im deutsch-polnischen Verhältnis führte. Beide haben allerdings auch Sympathisanten in und außerhalb ihrer Parteien. Das macht den Umgang mit diesen Personalien für CDU/CSU und SPD durchaus schwierig.

Abgesehen von der politischen Lage, in die sie sich selbst manövriert haben, verbindet Sarrazin und Steinbach nichts. Er ist von Haus aus Volkswirt, sie hat ein Violinstudium absolviert und Konzerte gegeben, bevor sie anfing, in der Frankfurter Verwaltung zu arbeiten. Steinbach hat nichts fürs Golfspielen übrig, Sarrazin nichts für Richard Wagner. Ganz im Gegenteil. Als er noch Finanzsenator von Berlin gewesen ist, hat Thilo Sarrazin die dortigen Opernfreunde gerne mit dem Satz erschreckt: "Wir müssten sieben Opernhäuser schließen, um den Anstieg der Zinslast zu stoppen, aber leider haben wir nur drei."

Dieser Mann, der immer in Grau daherkommt, hat seine Sparpolitik einst als "schöpferische Zerstörung" definiert. Den Berlinern hat er damals rüde zugerufen, in ihrer Stadt lebten "zu viele Menschen, die Geld kosten, und zu wenige, die Geld bringen". In der Hauptstadt war man in den zurückliegenden Tagen deshalb überrascht zu sehen, dass Sarrazin der erbitterte Streit um seine Person sichtlich an die Nieren ging. Von Erika Steinbach hatte man hingegen nichts anderes erwartet.