Dampfschlepper der Ewerführerei Steffen wird 100 Jahre alt. Rundfahrten mit dem Traditionsschiff durch den Hafen

Övelgönne. Von all den Schiffen seines Großvaters Jürgen-Hinrich Steffen, der in Hamburg eine Ewerführerei betrieb, interessierte den Enkel Hans-Jürgen am meisten der "Tiger". Der Junge ging gern an Bord, er zeichnete ihn immer wieder, und diese Zeichnungen sind noch heute erhalten. Der "Tiger" übrigens auch. Seine Besatzung feiert am Wochenende das 100-jährige Bestehen des alten Schleppers.

Der bugsiert allerdings längst keine Schuten mehr durch den Hafen, sondern liegt als gepflegtes Traditionsschiff im Museumshafen Oevelgönne. Wenn er nicht gerade wieder mal auf Tour ist. Denn der "Tiger" steht auch heute noch regelmäßig unter Dampf und unternimmt Rundfahrten durch den Hamburger Hafen oder ist unterwegs zu Treffen von Traditionsschiffen.

Was ihn gerade am "Tiger" interessierte, kann sich Hans-Jürgen Steffen heute auch nicht mehr erklären. Denn sein Großvater hatte insgesamt vier Dampfschlepper und 15 Schuten, mit denen sein Unternehmen Transporte im Hamburger Hafen erledigte. Seine Ewerführerei galt als erfolgreiches mittelständisches Unternehmen mit Sitz an der Köhlbrandtreppe und Blick auf das Geschehen im Hamburger Hafen. Es war Wohnhaus und Firmengebäude zugleich, und so zog die Faszination der Schifffahrt Hans-Jürgen, der seine Großeltern oft besuchte, schon früh in den Bann.

Die Namen der Schiffe dieser Ewerführerei hatten alle einen Bezug zu den Tätigkeiten ihrer Kunden. Zu denen gehörte die Altonaer Mühle E. P. Lange und Söhne, die ihr Mehl unter der Marke Tiger vertrieb. So kam der Hamburger Dampfschlepper zu seinem exotischen Namen.

Gebaut wurde er bei der damals bekannten Hamburger Schiffswerft und Maschinenfabrik Janssen und Schmilinsky, bei der viele Hafenfahrzeuge vom Stapel liefen. Die Stahlplatten des Rumpfes wurden noch mit Nieten zusammengefügt. Der "Tiger" war eine starke Konstruktion, denn er sollte bei strengen Wintern auch als Eisbrecher die Fahrrinnen freihalten. Damit er ungehindert durch die vielen Brücken in alle Hafenbecken gelangen konnte, ließen sich Schornstein und Steuerhaus abklappen.

Die Zwei-Zylinder-Expansionsmaschine leistet 240 PS, damit erreicht das gut 17 Meter lange Schiff eine Geschwindigkeit von neun Knoten, also etwa 16 Kilometern pro Stunde.

Vor dem Kessel stand der Maschinist und Heizer, der pro Stunde 75 Kilo Kohlen ins Feuerloch schaufeln musste und über einen Maschinentelegrafen erfuhr, mit welcher Fahrtstufe er voraus- oder zurückfahren sollte.

Die Fahrten führten nicht nur durch den Hamburger Hafen, teilweise schleppte er seine Schuten bis Elmshorn oder sogar bis Cuxhaven. Während dieser Zeit genoss die Besatzung den bescheidenen Komfort, sich jederzeit einen Kaffee aufbrühen zu können, obgleich die Kajüte keinen Herd hatte. Aber es gab eine spezielle Dampfleitung, aus der immer kochend heißes Wasser entnommen werden konnte.

56 Jahre blieb der "Tiger" im Dienst der Ewerführerei Jürgen-Hinrich Steffen, die ihn 1966 aus dem Alltagsbetrieb nahm. Doch die letzte Fahrt zur Abwrackwerft am Köhlbrand blieb dem "Tiger" erspart, denn er sollte noch immer als Reserveschlepper eingesetzt werden können. So pflegten ihn die Mitarbeiter des Unternehmens zwölf Jahre weiter. 1978 drohte aber auch diese Zeit zu Ende zu gehen. Damit der letzte kohlebefeuerte Dampfschlepper als technisches Denkmal seiner Zeit nicht doch noch unter Schneidbrennern enden sollte, startete der Museumshafen Oevelgönne 1978 die Aktion "Rettet den Tiger", die vom Abendblatt unterstützt wurde. Es kam so viel Geld zusammen, dass die Restaurierung des Schiffes begonnen werden konnte.

Am Sonntag, während der Veranstaltungen zum Tag des offenen Denkmals, unternimmt der "Tiger" abwechselnd mit dem 1913 in Dienst gestellten Dampfschlepper "Claus D." zwischen 11 und 17 Uhr halbstündige Rundfahrten durch den Hamburger Hafen. Die Besatzungen freuen sich über Spenden zum Erhalt der Schiffe.