Ein Tatsachenbericht von Jan-Eric Lindner

Der Mörder ist immer der Gärtner, und wer sich mit Prostituierten einlässt, der kann gleich Haus und Hof verpfänden. Sie ziehen einem nämlich höchst geschickt mitunter auch noch das letzte Geld aus der Tasche. Das sind Vorurteile, die sich besonders bei Krimi-Autoren und Milieu-Ermittlern ins Hirn gebrannt haben. Nun, auf der Davidwache, dem Hort der Rechtschaffenheit inmitten des Sündenpfuhls Kiez, hat man zumindest die zweite der vorgenannten Lebensweisheiten mehr als einmal bestätigt gefunden.

Um genau zu sein: So oft, dass man sich fragt, wo all die Freier noch immer herkommen, die den Liebesdienstleisterinnen in hormongesteuerter Freimütigkeit ihre Kreditkarte überantworten. Dementsprechend überrascht waren die Beamten der Davidwache, als nun eine der betreffenden Damen zu ihnen gestiefelt kam, um einen mit 3100 Euro gefüllten Briefumschlag abzugeben. Ein Freier habe das Kuvert nach dem bezahlten Akt bei ihr auf der Steige vergessen, berichtete die Frau. Sie könne es mit ihrem Gewissen nicht vereinbaren, das Geld an sich zu nehmen. Was, wenn der schusselige Freier das Geld dringend brauche? Was, wenn er sich nun nicht nur befriedigt, sondern auch noch betrogen fühle?

Beeindruckt von so viel ehrlicher Fürsorge ermittelten die Beamten in kriminalistischer Kleinarbeit Namen und Anschrift des Umschlagbesitzers. Das Geld bekommt er zurück. Ob jedoch der Steigenchef der ehrlichen Prostituierten für ihren Einsatz die "Mitarbeiterin des Monats"-Plakette verleiht, darf zumindest bezweifelt werden.