Ein Kommentar von Tom R. Schulz

Wo man singt, da lass dich ruhig nieder. Wir Menschen tun das von klein auf. Jemand singt uns vor, und wir lauschen, niedergelassen ins Kinderbett oder angeschnallt im Rücksitz des Autos. Netterweise verlangt die Schöpfung nicht einmal, dass man uns tonrein und schön vorsingt. Kein Säugling hält sich bei schiefen Tönen die Ohren zu. Die Natur hat uns so programmiert, dass der Musikkritiker, wenn überhaupt, erst später im Leben erwacht. Deshalb kriegen auch nicht die Kinder beim Geigeüben die Krise, sondern allenfalls die Nachbarn.

Wer das Freistil-Geklöppel eines Dreijährigen auf dem Xylofon geduldig erträgt, wer die lieben Kleinen die Töne spielend entdecken lässt und ihre Lust am Ausprobieren fördert, vor allem: wer sich nicht scheut, mit ihnen und für sie zu singen, zu brummeln oder zu quaken, der bietet seinem Nachwuchs fürs Erste die beste Musikkinderstube der Welt. Fehlt die, kann kein noch so toller Musikkindergarten die pädagogische Leerstelle ausfüllen. Trotzdem ist die Einweihung von Hamburgs erstem Musikkindergarten in der kommenden Woche in den Schanzen-Höfen mehr als nur ein Signal für die Wertschätzung der musikalischen Früherziehung - die 110 Plätze waren schon lange vor der Eröffnung ausgebucht. Man möchte sie auch als ein weiteres in die Gegenwart gesungenes Stück elbphilharmonischer Zukunftsmusik auffassen. Stein auf Stein, Stein auf Stein, die Musikstadt wird bald fertig sein.