Seit 17 Jahren sind Jens Westphalen und Thoralf Grospitz im Geschäft. Ihre wichtigsten Tugenden: Geduld und Einfallsreichtum.

Hamburg. Die erste Produktionsregel lautet: Nichts ist einfach. Die zweite: Was man hat, das hat man. Wie häufig haben Thoralf Grospitz und Jens Westphalen am Anfang ihrer Arbeit gedacht, dass die eine oder andere Szene schnell im Kasten sei. Oder aber eine Beobachtung ungefilmt verstreichen lassen, weil "das später bestimmt noch einmal besser kommt". Nichts da, haben die beiden Tierfilmer oft schmerzhaft erfahren müssen. Vielleicht ist dies einer der Gründe, warum sich die Hamburger seit 17 Jahren auf dem engen Markt des Naturfilms nicht nur fest etabliert haben, sondern zu den Besten ihres Genres in Deutschland zählen.

Zwei Männer in Outdoor-Kleidung. Grospitz und Westphalen sind Draußen-Menschen durch und durch. Mit ihren Cargo-Hosen, Wanderstiefeln und Fleece-Jacken sehen sie so aus, als würde es im nächsten Moment zum Einsatz nach Kamtschatka gehen. Auch wenn die wilde Natur heute nur die Wiese an der Außenalster ist.

+++ Die große Abendblatt-Tierseite +++

Tatsächlich war am Anfang das Lagerfeuer. "Wir haben uns bei einer Exkursion während des Biologie-Studiums kennengelernt", erzählt Grospitz. Während die restlichen Kommilitonen die behagliche Wärme des Aufenthaltsraums vorzogen, hätten er und Jens Westphalen draußen zu zweit ein Lagerfeuer gemacht. Und über ihre Zukunft nachgedacht. "Ich wollte schon als Kind Tierfilmer werden", sagt Jens Westphalen, der wie Thoralf Grospitz noch im Studium mit der Naturfotografie angefangen hatte. An jenem Abend am Lagerfeuer, kurz vor dem Ende der Unizeit, beschlossen die beiden Männer, gemeinsam ihren Traum zu verwirklichen.

Gerade sind sie für ihr letztes Werk "Wildes Japan" mit dem Großen Natur-Vision-Filmpreis in der Kategorie "Bester Deutscher Film" ausgezeichnet worden. Beim Naturfilmfestival Green Screen in Eckernförde, das am kommenden Donnerstag startet (siehe unten), sind sie unter anderem für die "Beste Bildgestaltung" nominiert. Neun Monate waren die beiden Mittvierziger dafür in Japan; vier verschiedene Reisen führten sie unter anderem zu den badenden Makaken (eine Affenart) auf der Hauptinsel Honshu, den bedrohten Mandschurenkranichen und Riesenseeadlern auf Hokkaido und zur traditionellen japanischen Begrüßung des Frühlings, dem Kirschblütenfest.

Was abwechslungsreich, romantisch und beneidenswert nach Urlaub klingt, entpuppt sich auf den zweiten Blick als harte Arbeit unter erschwerten Bedingungen. "Wir sind am Wetter dort schier verzweifelt", sagt Grospitz, "alles lag ständig in Smog oder Dunst eingehüllt." Einen weiten Schwenk über die Landschaft habe man so überhaupt nicht filmen können. "Außerdem hat es wochenlang geregnet." Zwar mag ein Tier mit mürrisch eingezogenem Kopf und nassem Fell- oder Federkleid für 30 Sekunden mal ein Hingucker sein - "aber wer will schon zur besten Sendezeit 45 Minuten Dauerregen sehen?"

Mit 300 Kilogramm Kamera-Ausrüstung und einer Dolmetscherin im Gepäck mussten die beiden so viele Stunden und Tage geduldig in Unterkünften verbringen oder ihre gesamte Planung kurzfristig ändern, um die Aufnahmen zu bekommen, die sie sich vorgenommen hatten. Zum Beispiel von den äußerst seltenen Fisch-Uhus. Oder aber auch von kulturellen Details des Landes. "Auch der Tierfilm unterliegt Moden", erklärt Westphalen. Und so hätten sie auch einen Blick auf Tradition und Moderne der japanischen Kultur geworfen.

Dabei machen die beiden Filmer bei Weitem nicht jeden Trend mit: Sich selbst in den Vordergrund ihrer Filme zu stellen, wie es einige Kollegen tun, ist nicht ihre Art. Wer die beiden kennt, kann höchstens nach dem kurzen Hitchcock-Moment in ihren Werken suchen, wenn einer für eine Szene den Statisten geben muss: Als einsamer Wanderer im Hintergrund, oder beim Mittagessen an einem Imbiss, während zwei Spatzen versuchen, die Pommes frites vom Teller zu klauen. So geschehen in ihrem ebenfalls preisgekrönten Werk "Die frechen Spatzen von Berlin".

Jens Westphalen und Thoralf Grospitz verstehen sich als "nachhaltige Dreher", die ein unnötiges Risiko für sich und die Tiere vermeiden. Tiere zu töten, um damit Raubtiere für eine Szene anzulocken - undenkbar für die Hamburger. Als sie in Australien einen Film über Dingos drehten und dafür bei Besitzern von Schaffarmen nach kürzlich verendeten Tieren anfragten, mussten sie einen Farmer regelrecht davon abhalten, schnell eines seiner Tiere für sie zu schießen. Die Filmer begnügten sich schließlich damit, Kadaver von überfahrenen Kängurus an den Straßenrändern aufzusammeln, was zwar selbst für Biologen nicht immer schön war (gut, dass die Autovermietung nie davon erfahren hat, welche Fracht zeitweilig auf dem Dach des Geländewagens mitfuhr), jedoch den Zweck des Anlockens der Wildhunde erfüllte.

Ganz ohne diese kleinen Tricks kommt kein Tierfilm aus, verraten die beiden. Als sie vor vielen Jahren auf Neuseeland Takahes filmten, flugunfähige und fast ausgestorbene Vögel, bauten sie eigens ein großes Freilandgehege mit Originalvegetation nach, nur für wenige Sekunden Filmmaterial: nämlich eine Szene, in der eine Ratte ein Nest plündert. Ratten sind die größten Feinde der Rallenvögel, und natürlich konnten die Filmer weder auf einen "echten" Rattenangriff an einem Takahe-Nest warten, noch wollten sie einen provozieren - schon gar nicht bei einer streng geschützten Art. So blieb nur der Nachbau und das Bestücken des Nestes mit Hühnereiern - in kunstvoller Handarbeit von den beiden angemalt, "Marke Takahe". Die ins Gehege gesetzte Ratte tat ihren Job.

Solche Filmsequenzen blieben aber die absolute Ausnahme, betonen die beiden Hamburger Filmer, und werden von ihnen nur dann erwogen, wenn es gar nicht anders geht. Und es dem Verständnis für die Natur und ihrem Schutz dienlich ist.

Aktuell sind Westphalen und Grospitz übrigens der Hamburger Tierwelt auf der Spur. Für ihren Auftraggeber, den NDR Naturfilm, haben sie bereits Uhus auf dem Ohlsdorfer Friedhof und Blesshühner auf der Alster gedreht. Ganz ohne Tricks.