Fünf Fragen, fünf Antworten: Hans-Olaf Henkel

1. Hamburger Abendblatt:

Welche Folgen hat der Rauswurf Sarrazins für den Bundesbank-Chef Weber?

Hans-Olaf Henkel:

Die Bundesregierung wird sich sicher noch engagierter für ihn als Präsidenten der Europäischen Zentralbank (EZB) einsetzen.

2. Konnte man von Sarrazin erwarten, dass er sich im Bankvorstand vorrangig um finanzpolitische Themen kümmerte?

Henkel:

Ja, aber allein Ihre Frage zeigt, dass etwas in der Gesellschaft schiefläuft: Das Aussprechen der Wahrheit wird zu oft als Provokation empfunden. Allerdings hätte Sarrazin eine Menge erreichen können, wäre er bei Themen geblieben, die unmittelbar mit seinen Aufgaben bei der Bundesbank zusammenhängen. Die Finanzkrise ist noch nicht ausgestanden, der Euro wackelt, und wir sind auf dem Weg von einer Währungsunion zu einer Transfergemeinschaft, vor allem zulasten Deutschlands. Hätte Sarrazin seine analytischen Fähigkeiten und seinen Mut dafür eingesetzt, wäre er ein wichtiger Impulsgeber geblieben.

3. Welche Lehren sollten wir alle aus dem Wirbel um Thilo Sarrazin ziehen?

Henkel:

Wir sollten denen, die Missstände nennen, dankbar sein, statt sie zu verteufeln. Dass Politiker, Frau Merkel vorneweg, vorschnell und ohne genaue Kenntnis des Geschriebenen nur vermeintlich politisch Korrektes von sich geben, anstatt sich ernsthaft mit den Problemen auseinanderzusetzen, macht mich traurig. Dass fast ausnahmslos alle Politiker wider besseres Wissen ins gleiche Horn stoßen, macht mich wütend. Dass die meisten Medien mitmachen, widert mich an.

4. Sollte man das Verfahren, wie die Politik Bundesbankvorstände bestimmt, ändern?

Henkel:

Weniger das Verfahren zur Ernennung als zur Abberufung. Wenn er gehen musste, weil sich der Vorstand von Wulff und Merkel unter Druck gesetzt fühlte, wird er auch nachgeben müssen, wenn ein Finanzminister wieder mal mit dem Verkauf der Goldreserven ein kurzfristiges Finanzloch stopfen will! Sarrazin sollte auf dem Posten bleiben mit dem Versprechen, sich auf Bankthemen zu beschränken.

5. Haben wir Deutschen ein Problem mit der Meinungsfreiheit?

Henkel:

Ja! Ich habe es immer wieder selbst zu spüren bekommen! Oder kennen Sie eine Demokratie, in der von der politisch korrekten Mehrheitsmeinung abweichende Positionen so gnadenlos verfolgt werden wie bei uns? Der wirkliche Skandal in diesem Fall ist das gleichförmige Verhalten der Medien. So hat Schirrmacher von der FAZ, der immer gern auf jeder Zeitgeistwelle surft, versucht, Sarrazin die Ehre abzuschneiden. Die öffentlich-rechtlichen Fernsehanstalten waren sich nicht zu schade, mit zweifellos vorhandenen Beispielen gelungener Integration das Publikum für doof verkaufen zu wollen, und ausgerechnet leuchtende moralische Vorbilder wie Michel Friedman durften sich auf allen Kanälen als Scharfrichter gegenüber Ehrenmann Sarrazin gebärden.

Hans-Olaf Henkel, 70, Ex-Manager, Buchautor, ehemaliger Chef des Bundesverbandes der Deutschen Industrie