Eine Ode auf den Hafen anzustimmen heißt, das Lied des Lebens zu singen. Ich bin mit Häfen aufgewachsen: mit dem Hafen in Hamburg und mit den Fährhäfen von Puttgarden und Rødby auf dem Wege nach Møn, der Ferieninsel meiner Kindheit. In Kopenhagen war ich später dreieinhalb Jahre Pastor und genoss die schöne dänische Ostseeküste.

Zurück in Hamburg als Pastor der Flussschifferkirche habe ich Gottesdienste auf dem schwimmenden Kirchenschiff gefeiert und Menschen auf der Elbe verheiratet, getauft, beerdigt, mit ihnen gefeiert, gesungen, auch mal geweint und gestritten. Heute bin ich Pastor in St. Katharinen, der Hafenkirche an Speicherstadt und HafenCity.

Der Hafen bewahrt menschliche Urerinnerungen auf: an den Beginn und das Ziel der Welt. Aus dem Wasser ist das Leben einst ans Land gekrochen, und alles Sterben ist wie ein letztes In-See-Stechen. Kein Wunder, dass der biblische Jesus immer wieder gern sein Boot bestieg. Denn an der Küste und im Hafen singen Wasser, Wind, Möwen, Schiffe, Gestank, Lärm und Lichter das Lied des Lebens. Mein Lieblingsdichter Wolfgang Borchert hat Worte für diese Lieder gefunden: "Wenn ich tot bin, / möchte ich immerhin / so eine Laterne sein, / ... am Hafen, / wo die großen Dampfer schlafen / und wo die Mädchen lachen, / würde ich wachen / an einem schmalen schmutzigen Fleet / und dem zublinzeln, / der einsam geht."

Frank Engelbrecht, 45, ist seit 2003 Pastor in der Hauptkirche St. Katharinen, zu deren Gemeindegebiet HafenCity, Altstadt und Speicherstadt gehören.