Henning Rademacher ist ein Nautiker, der zum Museumsmacher geworden ist: Früher fuhr er als Schiffsoffizier auf Tankern und Frachtern in alle Welt. Dann arbeitete er bei einem Hafen-Beratungsunternehmen. So kam Rademacher irgendwann mit der Geschichte des Hafens in Berührung und war fasziniert. Der heute 65-Jährige wurde Volontär in einem Museum und machte sich schließlich mit dem Speicherstadtmuseum selbstständig.

Abendblatt:

Die Architektur der Speicherstadt wirkt heute sehr schmuckvoll, fast verspielt. Wie wurde sie in ihrer Entstehungszeit von den Menschen empfunden?

Rademacher:

Natürlich wollte man damals in Hamburg stolz sein auf diesen neuen und einzigartigen Lagerhauskomplex. Aber im Vergleich zu den Wohnhäusern dieser Zeit mit ihren vielen Stuckelementen waren die Speichergebäude schon eher sachlich.

Was ist das Besondere an den Lagerhäusern der Speicherstadt?

Wegen der Freihafenregelung wurden hier erstmals Büros, Wohnungen und Lager getrennt. Die Speicherstadtblöcke sind dabei im Prinzip mehrere Lager, die nicht nebeneinander stehen, sondern übereinander gebaut wurden. Die einzelnen Stockwerke heißen hier Böden, früher hatten Quartiersleute als Lagerhalter üblicherweise zwei, drei, vielleicht vier Böden bewirtschaftet.

Hatten diese Böden besondere Vorzüge?

Ja, durch die dicken Mauern gab es im Inneren sommers wie winters viel weniger Schwankungen zwischen Wärme und Kälte. Diese gleichmäßige Temperatur und ein besonders trockenes Klima machten die Lagerhaltung für bestimmte Waren ideal.

Heute sind wohl von den klassischen Speicherstadt-Waren nur noch die Orientteppiche übrig geblieben.

Nicht einmal das. Denn dass hier Teppiche liegen, ist eher neu. Die Teppichhändler aus Afghanistan oder dem Iran sind im Prinzip erst auf die Quartiersleute gefolgt, die sich woanders moderne Logistikhallen gebaut haben. Und mit den Teppichen wird hier gehandelt - während die Quartiersleute Importprodukte nur treuhänderisch gelagert oder veredelt haben.

Was ist denn jenseits der Fassaden von der ursprünglichen Speicherstadt geblieben?

Nischt. Na ja, außer in unserem Museum vielleicht: Dort lagern wir noch die alten Produkte.