Ein Kommentar von Rainer Grünberg

Die Handballer des HSV, das ist bekannt, lieben es komplizierter. Der Grund scheint längst ausgemacht. Sie tragen schwer an der Bürde, eine der besten Mannschaften der Welt zu sein, das aber nie in letzter Konsequenz auf dem Feld bewiesen zu haben. Sie machen sich dort Gedanken, wo zum Beispiel die Kieler einfach drauflos werfen. Sie lassen sich von eigenen Fehlern - wie jetzt beim Bundesligaauftakt in Göppingen - das Selbstvertrauen nehmen, während die Kieler einfach den Gegenangriff starten. Kiel wurde zuletzt sechsmal in Folge Meister, der HSV dreimal Zweiter.

Bis zum Hals sind die Hamburger den Kielern mindestens ebenbürtig, Titel jedoch werden im Kopf gewonnen. HSV-Trainer Martin Schwalb ahnt, dass sich die berechtigten Erwartungen des Vereins und seines Präsidenten Andreas Rudolph häufig wie Blei auf die Psyche seiner Spieler legen. Denn seine Mannschaft hat Charakter, und das ist ihr größtes Problem. Im Bemühen, es besonders gut zu machen, den Geldgeber und die Fans nicht zu enttäuschen, fehlt in den entscheidenden Momenten oft die nötige Gelassenheit, die die Hand ruhigstellt, um den Ball platziert ins Tor schmeißen zu können. In der vergangenen Saison zehrten vier Monate Tabellenführung die Nervenkraft des Teams bis zum finalen Duell mit dem THW auf. Das wichtigste Spiel wurde zu einem der schlechtesten des HSV.

Typen wie Neuzugang Michael Kraus, der den Kopf, nicht die Nase, hochträgt, der stets das Positive sieht, können dem HSV helfen, den Mentalitätswandel einzuleiten. Der braucht aber Zeit. Nach der Niederlage in Göppingen ist sie knapper geworden.