Ein Kommentar von Matthias Gretzschel

Wie stark jüdische Kultur von der Religion bestimmt wird, darüber gibt es unterschiedliche Auffassungen. Jüdische Kultur ist nicht nur jiddische Folklore, sondern ist geprägt von einer jahrhundertelangen Tradition, deren Wurzel die Religion ist. Dabei ist jüdische Kultur seit dem 18. Jahrhundert keineswegs immer religiös, sondern vor allem emanzipiert und aufklärerisch, oft respektlos, manchmal geradezu ketzerisch, fast immer aber von großer Geistesschärfe.

In Hamburg, der Stadt, in der Heinrich Heine seine Jugendjahre verbrachte, brannten 1938 wie überall in Deutschland die Synagogen. Doch der Holocaust ist nicht das letzte Wort der Geschichte geblieben: Heute gibt es auch hier wieder eine lebendige jüdische Gemeinde und eine jüdische Kultur, die sich nicht nur erinnert, sondern auch selbstbewusst nach vorn blickt. Der Europäische Tag der Jüdischen Kultur, der demnächst hier begangen wird, bietet uns die Chance, Konzerte, Lesungen, Vorträge, Filme und Ausstellungen zu besuchen, in denen es - wie die Organisatorin Yohana R. Hirschfeld vom Kunsthaus Finkels es ausdrückt - "nicht um ein museales Judentum geht, sondern darum, Perspektiven in die Zukunft zu weisen".

Dass über das Verhältnis von jüdischer Religion und Kultur trotzdem gern und lebhaft gestritten wird, ist dabei eine Bereicherung.