Zum ersten Dinner, nach Pariser Vorbild, kamen 700 Menschen ganz in Weiß gekleidet in die Eimsbüttler Schopstraße zum Essen zusammen.

Wenn Männer weiße Hosen tragen, dann sind sie Ärzte oder Zuhälter und Proleten. Das ist so ein Klischee, das auch Greg Roberts, 34, sofort im Kopf hatte, als seine Freundin Nina, 33, ihm vorschlug, sich ganz in Weiß zu kleiden. Sie wollte nämlich gern beim ersten " Weißen Dinner " in Hamburg dabei sein. Und weil Greg zu den vielen Männern gehört, die gar keine helle Hose besitzen, ist er am Sonnabend noch schnell in die Innenstadt gefahren und hat sich für 14 Euro ein weißes T-Shirt und eine weiße Boxershorts im Ausverkauf besorgt. "Leider ist sie ein wenig transparent", sagt der Engländer. Der "Man in White" hofft, sich möglichst schnell auf seinen Klappstuhl setzen zu können. Mit zwei Stühlen, einer Picknicktasche und einem Handtuchhalter als Tisch waren Nina Köcher und Greg Roberts um kurz vor 17 Uhr in die Eimsbüttler Schopstraße gegangen. Sie wollen dabei sein, wenn etwas ganz Großes vor ihrer Haustür passiert. Wenn Menschen in weißer Kleidung Tische und Stühle mitten auf der 140 Meter langen Straße aufstellen, um dort wie auf einer gigantischen Hochzeitsparty in einer langen Reihe zu picknicken. Einfach so. Aus purem Vergnügen.

"Das ist eine tolle Idee, mit Leuten, die man nicht kennt, an einer Tafel zu sitzen", sagt Nina Köcher. Und genau darum geht es heute: Nachbarn, Menschen aus dem Viertel und aus anderen Stadtteilen kommen zusammen, um gemeinsam zu essen und sich kennenzulernen. Weil es in einer Großstadt wie Hamburg absolut unüblich ist, einfach Tisch und Stühle auf die Straße zu stellen, sind die Menschen, die der Aufforderung von Manon Dunkel gefolgt waren, ein Weißes Dinner zu zelebrieren, alle aufgeregt und aufgekratzt. So als könnten sie gar nicht glauben, Teil dieses Spektakels zu sein, machen sie Handyfotos, stehen immer wieder auf, um einen Überblick zu bekommen. Alle sind Teilnehmer und Zuschauer zugleich. Niemand, nicht einmal die Veranstalterin Manon Dunkel selbst, wusste, was sie erwarten wird. Doch schon um 17 Uhr, dem offiziellen Start des Abendessens in Weiß, sitzen an die 100 Teilnehmer an ihren mitgebrachten Tischen.

Später sind es rund 700 Menschen. Das sind nicht ganz so viele wie in Paris, wo seit den 80er-Jahren regelmäßig Menschen zum Diner en blanc zusammenkommen. Bis zu 7500 Menschen waren es in diesem Jahr am Arc de Triomphe - Ort und Datum wechseln jedes Jahr. Von dieser Tradition hatte die PR-Beraterin Manon Dunkel gehört und beschloss, das Konzept in die Hansestadt zu holen. Der Eintritt ist frei, Tische, Stühle und die Speisen müssen mitgebracht werden. Dresscode: Weiß.

Frau Dunkel ist fasziniert von "diesem tollen Gemeinschaftsgefühl, dieser eleganten weißen Kleidung, und alle treffen sich, um einen tollen Abend miteinander zu verbringen", sagt sie. Ende vergangenen Jahres hatte sie beim Bezirksamt eine Genehmigung beantragt. "Ursprünglich wollte ich die Osterstraße dafür sperren lassen", erzählt sie - selbstverständlich trägt auch sie heute ein strahlend weißes Kleid, eine weiße Kette und sogar weiße Blumen im Haar. Die Sperrung der Osterstraße wäre aber zu teuer gewesen, für einen Freundschaftspreis von 200 Euro ist es jetzt also die Schopstraße.

Dort tragen die Männer und Frauen in Weiß ein Dauergrinsen in ihren Gesichtern. Plötzlich stehen alle gleichzeitig wie auf Kommando auf und schwenken weiße Tücher. Wie bei einer Stadionwelle beim Fußball. Auch dieses wieder eine Pariser Tradition.

"Hat euch jemand schon gesagt, dass ihr etwas von einem Brautpaar habt?", fragt ein Passant Manon Dunkel und ihren Bekannten Martin Vetter, der, ganz der feine Herr, nicht nur Hose, Sakko und Schuhe, sondern auch einen Hut in Weiß trägt. Sein Hund Eddy hat selbstverständlich eine weiße Rose am Hals. Auf dem festlich verzierten Tisch, mit der vorgeschriebenen weißen Tischdecke, hat Manon Dunkel eine Platte mit Käse und Tapas gestellt. Dazu gibt es Sekt und Wein. Aber Baguette, Käse und Weintrauben dominieren ganz klar auf den meisten Tischen. Vielleicht, damit es französischer wirkt? "Dabei essen die Franzosen beim Picknick Hähnchenkeulen und Chips", sagt Anja Reuter, die im Sommer gerade in Paris war. Dort sei das "Diner en blanc" auch noch ein bisschen schicker, fast schon elitär. "Schön, dass es hier für jedermann ist."

In Eimsbüttel reicht die Palette von einfach bis opulent. Nina Köcher und Freund Greg haben Gurkenscheiben und Karottensticks in einer Tupperdose mitgebracht, so wie man sie kleinen Kindern zurechtschnippelt. Ihren Handtuchhalter, der bislang als Tisch diente, konnten sie inzwischen abbauen. "Wir dürfen uns mit an den Nachbartisch setzen", sagt Nina Köcher und freut sich sichtlich. Darum geht es ihr ja auch: Leute kennenlernen. Andere lassen es dagegen richtig krachen und essen Antipasti von Porzellantellern mit Silberbesteck. Wie bei einer Hochzeitsgesellschaft haben sie ihren Tisch mit Blumen dekoriert und silberne Kerzenständer aufgestellt. Jan Peter Kreienbaum aus der Altstadt hat seine Picknickutensilien kurzerhand in einen Koffer gepackt. Das ist sehr praktisch. Dient der Koffer, auf einen Mini-Campingtisch gelegt, doch als Festtafel. Hauptsache kreativ. "Mich interessiert, wie die Leute das interpretieren. Kommen sie im weißen Bademantel oder im Hochzeitskleid?", sagt Nina Worgull am Tisch nebenan.

Nicht im Bademantel, aber im Dschellaba, einem Baumwollumhang, ist Albrecht Roßmann, 53, mit Ehefrau Ulrike und Freunden zum Abendessen erschienen. Das ägyptische Alltagsgewand hat sich Herr Roßmann auf einer Kairo-Reise zugelegt. Normalerweise trägt er es nur zu Hause.

Aber was ist schon normal an einem Abend wie diesem mit Kerzenschein auf der Straße. Bis Mitternacht ist gesperrt. "Um 1.30 Uhr haben wir die Letzten von der Straße geschmissen", erzählt Manon Dunkel am nächsten Tag. Und weil es so schön war, wird es im kommenden Jahr auf jeden Fall ein weiteres Weißes Dinner geben.

www.weisses-dinner-hamburg.de