Nach einer langen Debatte stimmten mehr als 90 Prozent der GAL-Mitglieder für den Fortbestand des schwarz-grünen Bündnisses

Hamburg. Ihre erste Reaktion war ein Seufzer, und zwar ein tiefer. Als klar war, dass mehr als 90 Prozent der anwesenden GAL-Mitglieder für eine Fortsetzung von Schwarz-Grün stimmten, war Parteichefin Katharina Fegebank erleichtert. Doch schnell kehrte ein anderes Gefühl in das Gesicht der GAL-Chefin zurück: Erschöpfung. Es liegen aufreibende Wochen hinter ihr. Fast vier Stunden diskutierten ihre Parteifreunde die Forstsetzung des Bündnisses mit der CDU, und es zeichnete sich Müdigkeit ab in der diskussionsfreudigen Partei. Das Ergebnis war dann eindeutig, aber eine schwierige Geburt.

"Ich bin froh, dass es eine so deutliche Entscheidung geworden ist", sagte Fraktionschef Jens Kerstan. "Das hilft enorm, schließlich steht uns trotzdem keine einfache Zeit bevor."

Im Laufe des Nachmittags waren viele noch unsicher, wie die finale Abstimmung ausgehen würde. Von den rund 30 Redebeiträgen war die Mehrheit gegen eine Fortführung der Koalition gerichtet. Und schon der Protest vor den Eingängen des Bürgerhauses Wilhelmsburg ließ nichts Gutes erahnen. Mit neongrünen Perücken, kurzen Röcken, Netzstrumpfhosen und Plakaten mit dem Spruch "Leicht zu haben ..." empfingen rund 40 GALier die Ankömmlinge. Gute Ratschläge wie "Helft nicht dabei, eure Seele zu verkaufen" und höhnische Kommentare wie "Es kommen wirklich noch Grüne mit dem Bus, kaum zu glauben" gab es.

Diese Proteste sind längst ritualisiert, und doch war die Nervosität in der Parteispitze spürbar. Harte Überzeugungsarbeit leisten zu müssen, das kennen die Funktionäre der Grünen. Den größten Applaus erntete Umweltsenatorin Anja Hajduk mit einem strengen Appell an die grüne Ehre: "Wir sind schon immer mutig gewesen, und eine mutige Partei muss eine inhaltliche Niederlage verkraften", sagte Hajduk mit Blick auf den verlorenen Volksentscheid zur Primarschule. Die Partei solle nicht vergessen, dass Themen wie die Rekommunalisierung der Stromnetze oder die Stärkung des sozialen Wohnungsbaus auf gutem Wege seien.

Auch Katharina Fegebank bemühte sich in ihrer Ansprache um ein kämpferisches Bild - nicht ohne dem künftigen CDU-Bürgermeister Christoph Ahlhaus zu drohen: Wenn bei einem Fußballspiel in der Halbzeit der Kapitän ausgewechselt werde, die Spielregeln aber dieselben blieben, höre man doch nicht einfach auf. Sollte dieser neue Kapitän aber anfangen, den "eigenen Spielern gegen das Schienbein zu treten" oder "den Ball ins eigene Tor zu schießen", dann könnte man das Ganze immer noch abpfeifen.

In diesem Punkt waren sich alle Verfechter des Bündnisses einig. "Wir sollten sehr wachsam sein", sagte beispielsweise die Abgeordnete Eva Gümbel. "Und wenn uns inhaltliche Gründe vorliegen, dann sollten wir schnell rausgehen." Dem stimmte Schulsenatorin Christa Goetsch zu. Sie traue Christoph Ahlhaus zu, dass er die CDU weiter "auf Linie" halten könne. Wenn es aber zu einer "Quäl-Koalition" werde, müsse man erhobenen Hauptes Schluss machen. Etwas gequält klang Schulsenatorin Goetsch aber schon gestern. Eine "verdammt anstrengende Angelegenheit" seien die zurückliegenden Jahre mit der CDU gewesen. So rief sie etwas kraftlos zum Weitermachen auf: Der Volksentscheid habe schließlich nicht die bildungspolitischen Probleme gelöst: "Die Herausforderung und Probleme sind die gleichen geblieben - und die Kinder übrigens auch", sagte Goetsch, die am Ende großen Beifall von ihrer Partei bekam: Die 79 neuen Integrationsstandorte für behinderte Kinder seien schon jetzt ein Verdienst der Grünen.

Deutliche Kritik übten die Grünen an der von der CDU nominierten Senatorenriege. "Das Personentableau ist kein Aufbruchssignal", sagte Fraktionsvize Antje Möller. Das Argument, die CDU wandere nun weiter nach rechts, wollte sie indes nicht gelten lassen: "Wie die CDU ist, wussten wir vorher. Wir haben die Koalition begonnen und damit unsere Unschuld verloren", sagte Möller, die ebenfalls zur Wachsamkeit aufrief: "Ob es mit dem neuen Innensenator klappt, das weiß ich noch nicht." Einen Ruck nach rechts werde es mit der GAL nicht geben.

Und doch dürften die gegnerischen Stimmen nicht spurlos vorübergegangen sein an allen Grünen, die nun weiterregieren wollen: In der ersten Stuhlreihe saß Kritiker Aram Ockert, der speziell vor dem Bürgermeisterkandidaten warnte: "Ahlhaus steht für klare rechte Positionierung und entspricht daher der Erwartungshaltung der CDU-Basis am meisten", sagte Ockert. Und die Basis der CDU werde diesen Kurs auch einfordern. "Der Triumph heute Abend wird nur ein kurzer sein." Statt mit der CDU solle sich die GAL mit den Hamburger Wählern verbünden.

Auch die Grüne Jugend bestätigte erneut ihre Ablehnung gegenüber Ahlhaus und der Zusammenarbeit mit der CDU: "Das schwarz-grüne Experiment ist gescheitert", sagte Sprecherin Mareike Engels. Die beiden Parteien hätten wenige Gemeinsamkeiten. So sehe die ökologische Umgestaltung der Wirtschaft anders aus, als, wie nun diskutiert, ein Leihsystem für Autos einzuführen. "Die CDU teilt unsere Auffassung nicht, dass die Ökonomie grundsätzlich umgestellt werden muss, um unseren Planeten zu retten", sagte Engels, die für ihren letzten Satz donnernden Applaus bekam: "Wir sollten keine Angst vor Neuwahlen haben."

Die Fraktionsvize der Grünen im Bundestag, Krista Sager, zeigte dafür wenig Verständnis: "Jammert doch nicht darüber, wie weit CDU und GAL voneinander entfernt sind", sagte sie. Schon vor zwei Jahren sei man sich nicht ähnlich gewesen. "Und das wollten wir auch gar nicht sein." Klingt so, als sei die anstrengende Zeit für die GAL noch nicht vorbei.