Eine Glosse von Jens Meyer-Odewald

Ratzinger, Geißbock und Raute haben schon getippt; Perle-Hamburg, Zampano und Allah zögern noch. Warten sie auf treffliche Inspiration? Doch gemach, Sportsfreunde, hat Zeit bis morgen 20.30 Uhr. Wenn sie endlich vorbei sind, diese schrecklich inhaltslosen Wochen zwischen WM-Finale und Bundesliga-Anpfiff. Freitag nach der "Tagesschau" fand die Fernbedienung kein Ziel, sonnabends machte sich innere Unruhe breit, und auch der Sonntag war nicht mehr das, was er bis Anfang Mai noch war.

Endlich hat das Leben wieder Sinn! Passé sind Momente des Frusts im Fahrstuhl, wenn das Thema Wetter strapaziert werden musste. Und tschüs Langeweile an der Ladentheke mit Gelaber über Schlaglöcher in der Sommerzeit. Fortan geht's um Gewichtiges: Mesuts realer Wochenlohn, Ruuds Vollspann, Schweinis Klebe, Asamoahs Zipperlein. Kühne statt saure Gurken. Besonders gewinnend wird das Spiel, wenn Sachverstand belohnt wird und sich professionelle Prognosen bezahlt machen. Folglich formieren sich immer mehr Kollegenkreise und Freundesgruppen zu erstklassigen Tippgemeinschaften. Beim kostenlosen Internetportal kicktipp.de hatten sich bis gestern bereits 60 000 zockfreudige Runden mit 650 000 Teilnehmern registriert. Garniert werden solche illustren Zirkel mit mehr oder weniger qualifizierten Beiträgen in den Diskussionsforen. Zusätzlicher Reiz entsteht durch anonyme Künstlernamen. Wer im Fall der Abendblatt-Riege hinter Johnny Otten oder Bebeto steckt, wird rasch enttarnt. Doch wer verbirgt sich hinter "Master of Desaster"? Ob ihn seine Tipptendenzen demaskieren? Jede Wette!