Ein Kommentar von Stephan Steinlein

Spötter behaupten, die Veranstaltung sei die norddeutsche Antwort auf den Karneval am Rhein. Ein bunt kostümiertes Völkchen zieht munter durch die innerstädtischen Straßen, Tunten und Tanten im schrillen Fummel, Cowboys und Indianer, Mädels und Jungs in Lack und Leder. Am Straßenrand Zehntausende gut gelaunter Menschen, nur dass statt Kammelle Phallusse aus Weingummi auf sie niederregnen. Und mittendrin die Politprominenz, die hier wie da nicht fehlen darf. Genau wie im Kölner Karneval eben, nur dass Hamburgs Fasching mit dem Christopher Street Day in den Hochsommer fällt.

Doch bei allen höhnenden Vergleichen, bei allem Spott und Kopfschütteln für knutschende Lesben und exhibitionistische Schwule: Der CSD ist eine Veranstaltung, die Hamburg nicht nur ertragen muss, sie ist trotz aller rechtlichen Verbesserungen und gestiegener gesellschaftlicher Akzeptanz immer noch nötig als politische Kundgebung. Nötig, als eine "Demonstration für Offenheit, Toleranz und Respekt", wie Hamburgs scheidender schwuler Bürgermeister sagt. Nötig, weil es noch immer keine Gleichbehandlung homo- und heterosexueller Paare gibt, beispielsweise im Renten-, Erb- oder Adoptionsrecht.

Und wie das bei politischen Demonstrationen ist, dürfen auch hier Politiker nicht fehlen. Die einen, weil sie selbst schwul sind, die anderen, denen es als Heterosexuelle wichtig ist, sich für Gleichbehandlung einzusetzen, und dann sicher auch noch die, die einfach nur begriffen haben, dass es sich hier um ein nicht zu unterschätzendes Wählerpotential handelt, das ernst genommen werden will.