Wie sich das Schaustellergewerbe maßvoll selbst erneuert. Ohne computergesteuerte Systeme dreht sich schon lange keine Gondel mehr.

St. Pauli. Nein, so drängend ist das Streben nach Fortschritt nun auch wieder nicht. Jens Vorlop kommt noch wunderbar ohne sinnleere Statusmeldungen im Internet aus, weshalb der Dom-Schausteller bislang darauf verzichtete, sich im virtuellen Netzwerk Facebook anzumelden. Dort existieren immerhin 34 Fans der Gruppe Hamburger Dom , beim Konkurrenzportal StudiVZ huldigen sogar 16 Gruppen dem Volksfest.

Die Verweigerungshaltung des 53-Jährigen in Bezug auf populäre soziale Netzwerke bedeutet nicht, dass er die Errungenschaften des Internets ignoriert. Vorlop, seit 35 Jahren im Geschäft, vernetzt sich auf anderen Plattformen. Dort organisiert der Hamburger Fahrgemeinschaften für seine Zugmaschinen oder informiert sich auf dem Jahrmarkt 2.0 über neue Strömungen im Unterhaltungsbusiness. "Früher hatte ich Kleingeld zum Telefonieren in der Tasche, heute geht nichts mehr ohne Internet."

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Das Beispiel des "Atlantis Rafting"-Besitzers zeigt: Der Dom ändert seine Gewohnheiten, wird aber allen Neuerungen zum Trotz seinen greifbar-physischen Charakter behalten. Er folgt zwar stets dem Motto "höher, schneller, weiter", verweigert aber - bis auf Werbung - den Sprung ins Virtuelle. Ist ja auch schwer vorstellbar, dass auf dem Heiligengeistfeld irgendwann ausschließlich Computerboxen bei der Ausschüttung von Glückshormonen behilflich sein könnten. Im Gegenteil: Die Computerspielbuden, in denen man früher gebührenpflichtig Pacman daddelte, sind verschwunden.

Und dennoch ist das gern romantisierte Schaustellergewerbe im Jetzt angekommen. Ohne computergesteuerte Systeme dreht sich schon lange keine Gondel mehr, ohne betriebswirtschaftliche Grundkenntnisse erleidet man finanziellen Schiffbruch.

Und wer in Konfliktmanagement-Seminaren keine soziale Kompetenz erworben hat, riskiert Umsatzeinbußen. Denn Domgänger merken sich genau, wer freundlich war. Selbst der lichtgewordene Inbegriff des Domvergnügens, die immerbunte Schar aus Glühlampen, ist fast verschwunden - und wird von nicht minder grellen LED-Leuchten ersetzt. "Auch wenn das warme Licht mit LED-Leuchten nicht hinzukriegen ist, sind sie viel effizienter", sagt Jens Vorlop. 90 Prozent weniger Verbrauch liefern ein unwiderstehliches Argument, die Kosten für das wilde Geflacker zu senken. Mal davon abgesehen, dass die Umwelt geschont wird. Auch Riesenradbetreiber Theo Rosenzweig montierte 15 000 Glühlampen seines Rondells ab, um 250 000 LED-Leuchten zu installieren.

Mit dem Effekt: weniger Kosten, mehr Farben. Das Fortschrittsdenken des Gewerbes endet aber nicht bei der Illumination. Viele Schausteller investieren in Bildung. "Früher tingelten unsere Kinder mit, heute achten viele Schausteller darauf, dass ihr Nachwuchs an weiterführende Schulen geht. Denn Bildung wird auch auf dem Dom wichtiger, Bauchgefühl reicht nicht mehr", sagt Vorlop. Er selbst bildete sich in Kursus-Angeboten der Handwerkskammer, nachdem ihn sein Vater mit 16 von der Schule nahm. Der Dom ändert also sein geschäftliches Selbstverständnis, aber nicht seinen Auftrag - das Amüsement.