Ein Kommentar von Rainer Grünberg

Die deutschen Leichtathleten haben in Barcelona ihr selbst gestecktes Soll überfüllt. Mit zehn Medaillen, eine mehr als vor einem Jahr bei der WM in Berlin, hatten sie die interne Messlatte für kontinentale Titelkämpfe allerdings nicht besonders hoch gelegt. 16 wurden es.

Das Erfreuliche: Sprinterin Verena Sailer, Weitspringer Christian Reif sowie die Speerwerfer Linda Stahl und Matthias de Zordo klärten die Frage, ob die deutschen Leichtathleten Nachwuchssorgen haben, auf ihre Weise. Sie haben sie nicht. Sie hatten sie auch in der Vergangenheit nicht, nur der Übergang von den Junioren zu den Erwachsenen verlief selten erfolgreich. Jetzt gelingt er - zumindest in Europa.

Bei aller demonstrierten Zufriedenheit darf nicht vergessen werden, dass der alte Kontinent längst nicht mehr der Nabel der Leichtathletik-Welt ist. Eine Zahl mag das verdeutlichen: Seit den Spielen 2004 in Athen hat Europa bei Olympia- und Weltmeisterschaften nur noch zwölf Prozent aller Lauf-Medaillen gewonnen. Die gingen meist nach Afrika, in die USA und nach Mittelamerika.

Hier gewinnt der Vorschlag des Hamburger Verbandsgeschäftsführers Frank Thaleiser an Gewicht, der rät, systematisch Abstand von gewissen Disziplinen zu nehmen, die einen zeitlichen Trainingsaufwand fordern, der in Mitteleuropa mit den gesellschaftlichen Rahmenbedingungen nicht mehr zu vereinbaren ist. Gemeint sind Mittel- und Langstrecken.

Die Bündelung oder Umschulung der Kräfte auf erfolgversprechendere Wettbewerbe könnte das Gebot der Zukunft werden. Die Deutschen reüssieren auch deshalb in den von Technik geprägten Wurf- und Sprungdisziplinen, weil gut ausgebildete Trainer über großes Know-how verfügen. Das gilt es noch stärker zu nutzen.