Pferdegespanne, Hightech, La Paloma und Rock 'n' Roll: Sänger Achim Reichel über den Hafen

Als Kind wollte Achim Reichel, 66, genau wie sein Vater Steward werden - zum Glück wurde er dann doch Sänger. Heute gibt er auf den Cruise Days ab 20.15 Uhr auf der 90,3-Bühne am Hafentor einige Kostproben seiner musikalischen Hafenverbundenheit.

Abendblatt:

Was erwartet die Besucher?

Achim Reichel:

Wir spielen sechs Titel im Trio, dazu kommen die Inseldeerns aus Wilhelmsburg, das ist ein weiblicher Shanty-Chor, lauter gestandene Frauen. Wir singen so Sachen wie "What Shall We Do With The Drunken Sailor", "Aloha Heja He" und den "Hamborger Veermaster".

Klingt sehr hamburgisch. Kann man sagen, dass es Achim Reichel ohne den Hamburger Hafen nicht gäbe?

Ja, das ist richtig. Ich bin in der Bernhard-Nocht-Straße aufgewachsen, das ist die Parallelstraße zur Hafenstraße. Das war mein Spielplatz: Elbtunnel, Freihafen, Fischmarkt, unten die Sandberge. Als ich ein kleiner Junge war, fuhren oft noch Pferdegespanne mit Bierfässern hinten drauf die Straße entlang. Damals wurden die Fässer noch durch Ladeluken direkt in den Keller reingerollt.

Auch der Hafen hat sich seit Ihrer Kindheit und Jugend in den 50er-Jahren gravierend verändert ...

Allerdings. Früher gab es noch lauter einschlägige Hafenarbeiterkneipen wie das "Onkel Max" an der Hafentreppe Bernhard-Nocht-Straße oder das "Störtebeker" am Baumwall. Barkassen fuhren die Hafenarbeiter zur Schicht und wieder zurück. Als die Containerschifffahrt aufkam, waren die Hafenarbeiter auf einmal weg. Der Containerterminal ersetzte alles.

Früher war der Hafen der Ort der Shanties, von Seemannsmusik und den Anfängen von Beat und Rock in Hamburg. Heute entsteht dort die Elbphilharmonie. Wie nehmen Sie diesen Wandel wahr?

Als ich anfing, mich für Musik zu interessieren, hatte ich nur Rock 'n' Roll im Kopp. Da dachte ich, was sind denn das für Spinner, die da mit der Quetsche bei "Onkel Max" in der Kneipe sitzen und "La Paloma" singen? Erst später wurde mir klar, dass das zum Teil traditionelle Songs waren. Ich wollte wissen, wie sind die entstanden, was ist überhaupt ein Shanty? Die Schiffe liefen lauter verschiedene Häfen an, und beim Beladen der Schiffe haben die Matrosen sich einzelne musikalische Phrasen und Rhythmen gemerkt. Im nächsten Hafen wurde was anderes gesungen, dann haben die das zusammengefügt und einen Song draus gemacht.

Wie hat sich der Klang des Hafens verändert?

Zum Beispiel in den Geräuschen, wenn die Pontons mit der Flut hochgehen und an den Pollern schrammen. Ob diese Poller aus Eisen sind oder wie früher nur aus Holz: Das macht ein ganz anderes Geräusch. Metall knirscht, Holz knarrt. Das fand ich natürlich geiler.