Sozialsenator Dietrich Wersich erinnert sich an prägende Erlebnisse mit seinen Nachbarn

Seine Behörde plant die Aktionswoche "Nachbarschaft verbindet!" Sozialsenator Dietrich Wersich (CDU) verrät im Abendblatt, was ihn mit seinen Nachbarn verbindet, und warum Hamburg ein solches Projekt braucht.

Hamburger Abendblatt:

Was verbinden Sie persönlich mit Ihrer Nachbarschaft?

Dietrich Wersich:

Nachbarschaft, das ist für mich die Straße, der Stadtteil, in dem man "wir" sagt. Das war bei mir früher Lokstedt, heute ist es Alsterdorf. Hier nimmt man Anteil. Man spricht darüber, wo gebaut wird, was sich verändert. Gute Nachbarschaft heißt auch, sich einander zu unterstützen, nach der Zeitung zu sehen, wenn die Nachbarn nicht da sind, oder sich einfach mal auszuhelfen.

An welches Erlebnis mit Nachbarn erinnern Sie sich besonders?

Am stärksten sind bei mir natürlich die Kindheitserinnerungen. Später klingelte mal ein Nachbar wild an meiner Tür und fuchtelte mit den Armen, sagte aber nichts. Erst da merkte ich, dass er offenbar gehörlos war. Die Aufregung war verständlich, denn im Haus war eingebrochen worden.

Glauben Sie, dass sich gute Nachbarschaft vom Senat verordnen lässt?

Nein, gute Nachbarschaft lässt sich von niemandem verordnen. Es geht darum, dass wir - übrigens mit vielen Initiativen und Partnern in der Stadt - die Menschen ermuntern wollen, mehr aufeinander zuzugehen und mehr voneinander zu wissen. Gerade in Zeiten, in denen sich viele Menschen zurückziehen, ist der lebendige Kontakt zu seinen Mitmenschen eine Bereicherung.

Wie soll der Gemeinschaftssinn der Hamburger über die Projektwoche hinaus gestärkt werden?

Die Projektwoche soll Anstöße geben, selbst etwas zu tun. Den Nachbarn, der vielleicht sogar aus einem anderen Land stammt, den man vielleicht schon über Jahre freundlich gegrüßt hat, einfach mal anzusprechen, zu sich einzuladen. Viele trauen sich ja schon nicht mehr bei den Nachbarn zu klingeln, weil sie glauben, dass das sozial unerwünscht sei. Das wollen wir durchbrechen und damit dauerhafte Kontakte zur Belebung der Hamburger Nachbarschaften anstoßen.

Mit ihrem Vorstoß in der Pflegedebatte, dass auch Verwandte und Freunde verstärkt in die Pflicht genommen werden müssten, haben Sie viel Kritik geerntet. Befürchten Sie jetzt Ähnliches?

Nein, es gab sogar viel Zuspruch: Denn es ging nicht um die Pflege, sondern um die gegenseitige Unterstützung im Alltag. Das ist keine Generationenfrage und beruht nicht auf Einseitigkeit: Jeder kann dem anderen Menschen etwas geben, und am Ende sind alle davon bereichert. Mit diesem Anstoß wollen wir erreichen, dass sich die Menschen unabhängig von ihrer Herkunft auf den Wert des Zusammenhalts in der Gesellschaft besinnen. Und der beginnt vor der eigenen Haustür. Das kann "Vater Staat" gar nicht alleine schaffen.