Renate Schütte führt die SSB Spezialschiffbau Oortkaten mit großem Erfolg. Drei Millionen Euro Umsatz im Krisenjahr - dank Fährenbau.

Hamburg. Enge, gewundene Straßen, Bauernhöfe, Gewächshäuser, viel Grün und die nahe Elbe hinter dem Deich verborgen. Der Weg zu Hamburgs kleinster Neubauwerft führt durch eine Idylle, die die nahe Großstadt kaum ahnen lässt. Ein paar Kilometer von der Bunthäuser Spitze, an der sich der Fluss in Norder- und Südelbe teilt, führt ein Abzweig über den Deich auf zwei Schiffbauhallen und den Werfthafen zu: SSB Spezialschiffbau Oortkaten ist erreicht.

Die Tür zum Büro von Werftchefin Renate Schütte steht offen. Alle paar Augenblicke schaut ein Mitarbeiter herein, fragt nach Werkzeug, Schlüsseln oder einem Ratschlag, "Richtig zum Arbeiten komme ich hier meist erst nach Feierabend", sagt Schütte und lächelt. Sie wirkt wie ständig auf dem Sprung aber nicht ruhelos. Warum auch? Im Schiffbaukrisenjahr 2009, in dem auf deutschen Werften überall entlang der Küste die Belegschaften um ihre Jobs bangten, Lohneinbußen hingenommen wurden und so gut wie keine Aufträge eingingen, hat die Werft gut drei Millionen Euro Umsatz erzielt. "Ein Highlight für uns", sagt Schütte, "weil in diesem Jahr zwei Fähren für den Hamburger Hafen fertig wurden." Krise? "Haben wir bisher nicht bemerkt."

Ende der 1990er-Jahre war die Werft pleite. Seither schreibt sie Gewinn

Vom ersten Tag seit der Übernahme der ehemaligen Grube Werft vom Insolvenzverwalter im Jahr 2000 an hat Schütte schwarze Zahlen geschrieben. Nur eine Woche blieben ihr und ihrem im Jahr 2008 verstorbenen Lebensgefährten Klaus Schlünzen damals für notwendige Modernisierungen, dann kamen die Aufträge. Für die 20 Beschäftigten gibt es keine Abweichungen von der 35-Stunden-Woche, Weihnachts- und Urlaubsgeld werden selbstverständlich gezahlt. "Es ist hier schon ein Stück heile Welt", sagt Torben Grote, einer der Lehrlinge der früheren Grube Werft, der übernommen wurde und im Unternehmen blieb.

Der Erfolg und das Auskommen der Werft sind eng verknüpft mit dem Kunden Hadag Seetouristik, der Fährtochter der Hamburger Hochbahn. Schon am Bau der traditionellen Schiffe war das Vorgängerunternehmen beteiligt. Vom Schiffbauingenieur Schlünzen stammt jedoch die Idee für die in ihrer Form an Bügeleisen erinnernden, neuesten Schiffe der Hadag. Sie werden von einem einzelnen Mann gefahren und gelten mit ihren zwei Rettungsinseln und Rettungswesten auch für Kinder als besonders sicher. "Wir sind damit den Vorschriften weit voraus", sagt Schütte.

Elf der zwölf rund zwei Millionen Euro teuren Schiffe stammen aus Oortkaten. Nur einmal, als die Hadag gleich zu Beginn der Serie zwei Schiffe haben wollte, musste ein Konkurrent aus Altenwerder aushelfen. Nach den Ablieferungen stabilisieren dann auch Wartung und Überholung das Werftgeschäft. So liegt auch an diesem Tag mit der "Övelgönne" eins der zwölf Schwesterschiffe in der Werft, um einen neuen Propeller zu erhalten.

Oortkaten hat eine lange Tradition beim Bau der Hamburger Hafenfähren

Aber auch für die traditionellen Hadag-Fähren ist Oortkaten heute die erste Adresse. Da ist zum einen das über Jahrzehnte erarbeitete Know-how für die Schiffe, zum anderen aber auch die kurzen Wege für die Bauaufsichten der Hamburger Reederei. "Wir sehen in Norddeutschland kaum Konkurrenz, und europaweit dürfte es anderen Firmen schwerfallen, in unsere Nische vorzudringen", sagt Dirk Kohl, 57, einer der drei von Schütte beschäftigten Meister im Unternehmen. Ausruhen kann er sich darauf nicht. Vielmehr muss sich die Werft auch mit Weiterentwicklungen ihrer Schiffstypen befassen.

Ausgelastet ist die Werft derzeit durch die "Falkenstein", eine 1992 noch vom Vorgängerunternehmen gebaute Hadag-Fähre, die auf der Werft um 1,30 Meter verbreitert wurde. Das genügt, um 250 anstelle der bisher 210 Fahrgäste an Bord zu nehmen. Ein Auftrag, den die Hadag nach dem Umbau der "Wolfgang Borchert" bereits zum zweiten Mal erteilt hat. Erstmals aber testet das Hamburger Fährunternehmen auf der "Falkenstein" nun als Zusatzmotor einen modernen Pump-Jet-Antrieb. Dabei wird Wasser von einem Propeller angesogen und danach durch Düsen wieder herausgedrückt. "Wir haben die Anlage dafür in einen bisher nicht genutzten Raum vorn unter Deck gesetzt", sagt Kohl. Mit dem zweiten Motor ist die Fähre nun beim An- und Ablegen deutlich wendiger und kann auch beim Ausfall der Hauptmaschine weiterfahren. Die umgerüstete "Falkenstein" steht bereits kurz vor dem Abschluss der Erprobung und der Testfahrten.

Die Aussichten für neue Aufträge aus Hamburg stehen gut

"2009 haben wir ein Rekordergebnis erwirtschaftet. 2010 wird wieder ein normales Jahr", sagt Werftchefin Schütte beim Rundgang über das Gelände. Nach den Betriebsferien im August hofft sie auf einen Auftrag von der Alster-Touristik, der Schwesterreederei der Hadag. Die durch einen Batteriebrand beschädigte "Alsterwasser" liegt bereits aufgebockt auf der Werft.

Aber auch die Hadag hat neue Ideen. "Wir planen bauliche Veränderungen beim Typ 2000, den Bügeleisenfähren", bestätigt Reedereivorstand Gabriele Müller-Remer. Dabei geht es um den Einbau von Bugwulsten, mit denen die Fähren nach dem Vorbild von Seeschiffen leichter durchs Wasser gleiten sollen. "Unser Ziel ist es, weniger Treibstoff zu verbrauchen und damit weniger Abgase freizusetzen", sagt Müller-Remer. Gesucht wird ein Anbieter, "bei dem das Schiff nach einigen Tagen wieder im Einsatz sein kann". Lange Wege bis zum Auftragnehmer scheiden damit wohl aus. Bis zur SSB Spezialschiffbau Oortkaten sind es von der Hamburger Innenstadt aus nur knapp 20 Kilometer.