Hans Herbert von Arnim reagiert auf die Replik des Altbürgermeisters Klaus von Dohnanyi

Klaus von Dohnanyi geht in seiner Erwiderung auf meinen Beitrag im Abendblatt auf zwei Vorschläge überhaupt nicht ein. Einer davon ist die Direktwahl des Regierungschefs. Das hatte bereits Dohnanyis SPD-Parteifreund und Nachfolger als Erster Bürgermeister, Henning Voscherau, befürwortet. Doch damals schien Derartiges unrealistisch, weil im Parlament nicht mehrheitsfähig. Nachdem die direkte Demokratie in Hamburg in den letzten Jahren ausgebaut worden ist und dies durch den Volksentscheid vom Sonntag eindrucksvoll bestätigt wird, zeigt sich, dass die Direktwahl jetzt - notfalls am Parlament vorbei - durchgesetzt werden kann. Hat Dohnanyi das Thema vielleicht nur deshalb ausgelassen, weil ihm Volksentscheide suspekt sind, sie aber als Mittel zur Durchsetzung der Direktwahl in sehr viel positiverem Licht erscheinen, als er es wünscht?

Völlig übergangen hat Dohnanyi auch meinen Vorschlag, die Pension von Senatsmitgliedern erst im Alter von 65 und nicht schon mit 55 beginnen zu lassen. Was Mitgliedern der Bundesregierung recht ist, sollte auch Landesregierungen billig sein. Macht Dohnanyi um das Thema vielleicht deshalb einen Bogen, weil der Senat unter seinem Vorsitz 1987 eine maßlose Erhöhung der Pension von Senatoren durchgeboxt hatte? Damit die Öffentlichkeit keinen Wind davon bekomme, wurde das Gesetz in zwei Stunden durch zwei Parlamentsausschüsse und zwei Plenarsitzungen der Bürgerschaft gepeitscht. Zwischen erster und zweiter Bürgerschaftssitzung sieht Hamburgs Verfassung eigentlich eine Sechs-Tage-Frist vor. Auf sie kann nur mit Zustimmung des Senats verzichtet werden, und Dohnanyi war sich nicht zu schade, die Zustimmung zu diesem korruptiven Verfahren zu erteilen. Als das Ganze vier Jahre später im Zuge des Hamburger Diätenskandals durch meine Recherchen ans Licht kam, musste die Erhöhung zurückgenommen werden, und zwar mit Rückwirkung. Dohnanyi war blamiert, und viele Bürger waren über ihn genauso enttäuscht wie später über den CDU-Schatzmeister Leisler Kiep, der eine Million Schwarzgeld in bar entgegengenommen hatte.

Weiter habe ich der geplanten Inthronisierung von Christoph Ahlhaus als ersten Bürgermeister die demokratische Legitimation abgesprochen und für Neuwahlen plädiert. Denn die Wähler, die 2008 der CDU ihre Stimme gaben, sprachen sich auch für deren Spitzenkandidaten Ole von Beust aus.

Dass ich mit dieser Meinung bei Parteipolitikern wie Klaus von Dohnanyi keinen Beifall finde, ist mir klar. Zu sehr haben sie sich an die üblichen Praktiken gewöhnt und das Grundgesetz aus dem Auge verloren. Danach sollen die Parteien ja lediglich an der politischen Willensbildung des Volkes mitwirken. Dass von Dohnanyi aber zu abwegigen Argumenten greift, habe ich nicht erwartet. Er beruft sich auf die USA. Doch dort werden Vizepräsidenten von Anfang an vom Volk mit gewählt, besitzen also, wenn sie einspringen müssen, durchaus demokratische Legitimation. Tritt ein deutscher Bürgermeister vorzeitig zurück, ist es die Aufgabe des (Gemeinde-)Volkes und nicht etwa des Gemeinderats, einen Nachfolger zu wählen. Und selbst das Beispiel Gordon Brown passt nicht, weil schon vor der Unterhauswahl klar war, dass Tony Blair vor Ablauf der Periode zurücktreten und Brown sein Nachfolger werden würde. Im Übrigen war dieses Auswechseln auch in Großbritannien aus Gründen der Demokratie kritisiert worden.

Von Dohnanyis Versuch, die direkte Demokratie madig zu machen, reiht sich ein in die Vielzahl ähnlicher Versuche. Mal ist es die Behauptung mangelnder Reife der Bürger, mal die Befürchtung, dann würde die Todesstrafe wieder eingeführt, und jetzt die unterschiedlich hohe Wahlbeteiligung in den Vierteln der Armen und Reichen. Ist es nicht klar und auch sinnvoll, dass diejenigen, die glauben, dass viel für sie auf dem Spiele steht, sich leichter mobilisieren lassen? Muss man nicht umgekehrt fragen, ob angesichts der Einigkeit sämtlicher Parlamentsparteien und des Senats mit seinen überlegenen Finanzmitteln überhaupt die Chancengleichheit gewahrt war und ohne dieses Ungleichgewicht nicht eine noch größere Mehrheit zustande gekommen wäre?