Eine Glosse von Camilla John

Bisher merkte ich, dass unerwarteterweise auch mein Alter fortschreitet, an den bekannten Anzeichen: höheres Akzeptanzniveau anderer Meinungen, gestiegenes Stilbewusstsein, Kontostand ist (meistens) bei Monatsende nicht grundsätzlich bei null. Entspanntes Verhältnis zu den Eltern. Ziemlich positiv, diese ganze Sache mit dem Altern.

Ganz okay fand ich also meine stolzen 29 Jahre. Abgesehen davon, dass man im Spiegel fiese kleine Fältchen entdeckt, sich deshalb Cremtiegel im Bad kontinuierlich mehren. Und man es bei 34 Grad eben nicht mehr fünf Stunden in der Sonne aushält. So lag ich denn, gegen UVA und -B geschützt, an einem idyllischen Alsterfleet. Im Halbschatten. Entspannt, doch nicht gefeit gegen meine Nachbarn, die zehn Zentimeter nebenan ihr Lager bezogen: Jugendliche, sieben an der Zahl, grob geschätzt zehn Jahre jünger als ich. Aber hey, da bleibt man entspannt, wenn die Wasserpfeife ausgepackt wird. Es wurde lauter. Schließlich sollte keiner überhören, was Sven Erkan erzählte: "Ey Digger, voll krass, der Consti hatte gestern Morgen noch 1,7 Promille. Hat's ganze Krankenhaus vollgekotzt." Keine Sensation für die Jungs, eher Tagesgeschäft. Wobei scheinbar einzig die Höhe der Alkoholkonzentration im Blut Attraktionspotenzial zu haben scheint. Weiter dann mit "abziehen", "Handy gerippt", gespickt von "geile Sau, Alter". So weit war ich zwar entsetzt über die Offenheit und Wortwahl, den Todesstoß versetzte mir jedoch Sven-Digger erst, als ich - durch das blitzartige Einsetzten extrem lauter Technomucke - kurz hochschreckte. "Ey Alter, mach die Musik aus, die DAME will lesen!"