Im Anfang war das Wort. So beginnt das Johannesevangelium. Das Wort ist von Beginn an der wertvollste Schatz und das machtvollste Instrument jeder Kirche. Egal, ob sie sich katholisch oder protestantisch nennt. Ohne die Kraft des Wortes stirbt der Glaube, ja stirbt jede Glaubwürdigkeit.

Ausgerechnet auf diesem Feld der überzeugenden Worte versagen die kirchlichen Amtsträger in diesen Tagen, Wochen und Monaten reihenweise. Jetzt hat es auch die Hamburger Bischöfin Maria Jepsen getroffen. Sie ist, ebenso wie ihre katholischen Amtsbrüder, nicht nur die Repräsentantin einer konfessionellen Gemeinschaft, sie ist eine moralische Institution und als solche immer aufgetreten. Gerade deshalb kommt es beim Thema Missbrauch auf jedes Wort an.

Den größten Anspruch auf klärende Worte haben die Opfer der schlimmen Missbrauchsfälle. Die katholische Kirche hat das nach einem schmerzhaften Prozess endlich begriffen. Gerade gestern hat die ehemalige Bundesgesundheitsministerin, die Grünen-Politikerin Andrea Fischer, ihr Sondergutachten über die Vorfälle im Berliner Canisius-Kolleg der Jesuiten vorgelegt. Hier fing der Skandal Ende Januar 2010 an - mit einem Schritt in die Öffentlichkeit, der jahrzehntelanges Schweigen mit einem Paukenschlag beendete. "Zu keiner Zeit wurde an die Kinder und Jugendlichen gedacht und Sorge getragen, ihnen zu helfen", heißt es in dem Gutachten.

Das vernichtende Urteil gilt wohl auch für die Missbrauchsfälle aus den 70er- und 80er-Jahren in Ahrensburg, in die ein Pastor der evangelischen Kirche verwickelt sein soll. Wo sind die Verantwortlichen, die an die Opfer dachten?

Angesichts dieses Versäumnisses scheint es fast zweitrangig, wer wann was über Vorwürfe wusste. War die Hamburger Bischöfin schon 1999 informiert, wie die Pröpstin behauptet? Jedes Detail ist für die Aufklärung wichtig. Aber die Ungewissheit bleibt, welche Einzelheiten nach vielen Jahren noch bewiesen werden können.

Weit wichtiger ist, was im Sinne der Opfer getan werden muss. So viel steht fest: Hier haben die Kirchen, ob katholisch oder protestantisch, erschreckend versagt. Deren erprobtes Grundmuster: bloß nichts nach außen dringen lassen, beredt schweigen und Tatverdächtige an anderer Stelle ihr Tagwerk machen lassen. Damit muss endlich Schluss sein. Neben der Aufarbeitung früherer Taten muss es jetzt darum gehen, wie Opfer in Zukunft zu verhindern sind. Noch fehlt dazu das klärende Wort. Aber ohne das richtige Wort gibt es keinen (Neu-)Anfang. Das Wort, das Wahrheit sagt.