Eine Glosse von Stephan Steinlein

Akt 1, Sonnabendnachmittag. Die Begeisterung für das Argentinienspiel kennt keine Grenzen. Die Begeisterung für tollen Offensivfußball, Jogis blauen Pulli, Schweinis und Poldis schnittige Frisuren. Schlicht: Begeisterung pur. Wenn da nicht dieser Fernseher wäre, das alte Röhrengerät, gefühlt aus dem Jahr des letzten Weltmeistertitels vor 20 Jahren. "Am Montag kaufen wir einen neuen", fordert die Frau enthusiasmiert. "Unbedingt", unterstützen die Freunde und melden sich zum Endspiel an. Wer kann sich solchem Druck entziehen? Dem Druck von Frau und Freunden und von Lahm und Müller in HD-Qualität?

Akt 2, Montagvormittag. Sie sind supermodern und superflach. Das Auge des Betrachters weiß gar nicht, wohin es als Erstes wandern soll. Und wie bestellt ballern Klose, Friedrich und Müller in der Wiederholung auf allen Ausstellungsgeräten Maradona und seine Jungs nach Hause. Überragende Fußball-Qualität in überragender Bildqualität. Es folgt die klassische Dreierkette: Gesehen. Entschieden. Gekauft. Geliefert wird allerdings erst am Freitag.

Akt 3, Mittwochnacht. "Du, brauchen wir wirklich einen neuen Fernseher?", heißt es bei einem Glas Wein. Der alte sei doch gar nicht so schlecht, ergänzen die Freunde. Die Niedergeschlagenheit nach der Niederlage wirkt sich offensichtlich aufs Sehvermögen aus. Doch dann schlägt das Pendel doch um. Der Fußballer würde sagen, das Spiel kippt. "Dann gucken wir eben nicht das Finale in HD, sondern das Spiel um Platz 3. Ein scharfes Spiel in scharfen Bildern."