Deutschlands größter Exportplatz für Gebrauchtwagen liegt in Rothenburgsort. Doch damit ist heute Schluss. Die Autohändler ziehen um.

Hamburg. Die Außenstelle Afrikas liegt an der Billhorner Brückenstraße. Eine Welt im Schatten der Elbbrücken, wo die unbefestigten Straßen aus Staub und die Büros aus Brettern sind. Wo in alten Regentonnen Pappe verbrennt und am Wegesrand der Müll vergammelt, während Wachhunde in der Sonne dösen.

Die Ware, auf die sie aufpassen, ist bunt und alt. Toyota Corollas, Camrys, Carinas. Audi 80, Audi 100. Volkswagen der Modelle Passat und Golf III. Wagen, in den 70er-Jahren von den Bändern gelaufen, die in Deutschland reif sind für den Schrott-Friedhof, aber in Afrika und Osteuropa noch ein bewegtes Leben vor sich haben. Es ist Blech für die Welt. Denn auf dem Gelände des ehemaligen Rangierbahnhofs von Rothenburgsort verkaufen knapp 60 Händler gerade noch fahrtüchtiges Altmetall in den Kongo oder nach Kasachstan. Noch.

Denn bis heute Abend muss das etwa 100.000 Quadratmeter große Areal, das der Finanzbehörde gehört und von der Sprinkenhof AG verwaltet wird, geräumt sein. Im kommenden Jahr, so ein Sprecher der Finanzbehörde, soll die Fläche, zentral zwischen Hafenkante und Autobahn gelegen, bebaut werden. Das Aus für den Autobasar mit etwa 6000 Wagen. Nach neun Jahren.

"Es ist eine Katastrophe", sagt ein Exporthändler, der sich als Hassan vorstellt. Auf seiner Verkaufsfläche, mit beweglichem Metallzaun sauber parzelliert, fühlt er sich zu Hause. An seinem Büro, einem ausrangierten Alu-Container, hängt draußen eine orange-braune Markise und drinnen eine Stickerei mit Versen aus dem Koran. Seine Rosenbüsche muss er verpflanzen, seine Ford Fiestas, Jettas und Peugeots auch. An der Süderstraße hat er eine neue Fläche gepachtet. "Ist aber viel teurer", sagt Hassan sauer, während er mit seinem Onkel einen süßen Tee trinkt.

Zwischen einem und 1,50 Euro haben die Händler nahe den Elbbrücken pro Quadratmeter gezahlt. In Hammerbrook, Wentorf, Maschen und da, wohin es die Autoschrotthändler sonst noch verschlägt, liegt der Quadratmeterpreis bei mindestens 4 Euro.

"Schweinerei", flucht ein Schwarzafrikaner, während er schweißtreibend damit beschäftigt ist, Hunderte von Reifen auf einen Transporter zu laden. Jeder Vierte, schätzt er, wird pleitegehen. "Es ist ein Drama, da hängen Familien dran. Von dem ganzen Kram hier leben 3000 Menschen", sagt er. Zumeist Großfamilien aus dem Irak, dem Libanon, aus Syrien und vor allem aus Afghanistan.

"Die Afghanen sind die besten Geschäftsleute", sagt ein Mann namens Attik und grinst. Was andeuten soll, dass er selbst Afghane ist. 20 Autos habe er schon weggeworfen, obwohl pro Karre noch 200 Euro Profit drin gewesen wären. "Aber ich muss die Fläche leer kriegen", sagt er und deutet auf seinen 1000 Quadratmeter großen Schotterplatz und einen Verschlag ohne Fenster und Türen. Herausgerissene Autositzbänke stehen im Staub, Rudimente seines früheren "Arbeitszimmers".

Drei Nächte lang habe er kaum geschlafen, nachdem der Generalpächter, ein Araber, ihm mitgeteilt hatte, dass der gesamte Platz binnen dreier Monate geräumt sein müsse. "Wie soll das gehen? "Das klappt doch nicht", sagt Attik, während er ein Autowrack ausschlachtet und Benzin in einen Trichter laufen lässt. "Das ist die letzte Milch von dieser Kuh."

Ein paar Meter weiter türmt sich ein riesiger Haufen Sperrmüll - ein abgewetztes Sofa, einzelne Sperrholzbretter, Klamotten. "Seit die Leute wissen, dass hier geräumt wird, laden sie nachts ihren Müll hier ab", sagt ein junger Mann , der sich Ali nennt und rauchend vor seinem Exporthandel steht. Ein paar alte Mercedes-Taxis hat er im Angebot, einen ausrangierten Müllwagen und einen Polizeibus von vor 30 Jahren. Wagen, für die es im Kaukasus und im Kongo viele Interessenten gibt.

Früher seien diese Schnäppchenjäger regelmäßig an die Elbe gereist, auf diese Automeile zwischen Hindu-Tempel und Döner-Buden, auf die sich Deutsche nur selten verirrten. "Dieser Platz war weltbekannt", sagt Ali und wirkt ein bisschen wehmütig bei der Erinnerung. "Jeder Kunde fand uns, und wir fanden unsere Kunden." Die Konkurrenz habe das Geschäft belebt, gestenreiches und lautstarkes Feilschen über die teils von Stacheldraht gekrönten Metallzäune hinweg inklusive. Die Preisofferten lagen meist im 500-Euro-Bereich. Jetzt, meint Ali, der mit seinen Autos an die Eiffestraße zieht, müsse man noch mehr auf das Internetgeschäft setzen.

Am besten hätten sich japanische Autos verkauft, sagt ein dunkelhaariger Mann namens Nidal. Sein Areal wirkt schon weitgehend leer. Deutsche Marken seien nicht so gefragt, wegen der oft komplizierten Technik. Und Automatik, das laufe sowieso gar nicht. "Zu anfällig im Busch", sagt er grinsend. Er sei einer der ersten Händler gewesen, die sich Ende 2001 zu diesem kleinen Mikrokosmos aus Karren, Kommerz und Kommunikation zusammengeschlossen hatten. "Anfangs war hier die Hölle los, kurz vor Schluss ist es jetzt natürlich still wie auf einem Friedhof."

Doch an der Billhorner Brückenstraße liefen die Geschäfte mit dem Blech in letzter Zeit auch nicht mehr so super, erzählt Händler Omar. Die Zeiten, in denen man von dem "Elb-Dorado" sprach, wo Schrott wortwörtlich vergoldet wurde, seien vorbei. "Die Abwrackprämie hat das Geschäft ein bisschen versaut", sagt er. Weil alte Autos in die Schrottpresse kamen und damit weg waren vom Exportmarkt. Die weltweite Wirtschaftskrise habe den Rest erledigt. "Gerade die Osteuropäer haben weniger Autos gekauft als sonst."

Die größte Bewährungsprobe erwartet Hassan, Attik, Ali, Nidal, Omar und all die anderen ab morgen. Wenn sie neu anfangen müssen mit ihren alten Autos. Allein. Weit weg von der Schattenwelt nahe der Elbbrücken, wo ihre Geschäfte groß geworden sind.