Das Sterbehilfe-Urteil des BGH bekräftigt den letzten Willen.

Darf ich einem todkranken Menschen den lebenswichtigen Ernährungsschlauch durchtrennen - und komme sogar straffrei davon? Darf ein Anwalt einen Angehörigen zu dieser Tat ermuntern? Das hatte ein Münchner Medizinrechtler gemacht und war zu neun Monaten Haft auf Bewährung verurteilt worden. Der Vorwurf: versuchter Totschlag. Das heftig diskutierte Urteil hat der Bundesgerichtshof (BGH) am Freitag aufgehoben. Ein Freispruch für den Anwalt.

Der Freispruch könnte schnell Verwirrung stiften und befürchten lassen, jetzt sei der Weg geebnet zu aktiver Sterbehilfe. Nein, bei genauem Hinsehen ist die Sorge unberechtigt. Das Gericht hat vielmehr in dem Grundsatzurteil Beruhigendes festgeschrieben: Wenn es erkennbar auf das Ende eines Menschen zugeht, zählt dessen Wunsch, zählt dessen Wille, was zu tun und was zu unterlassen ist.

Das ist im Kern das Selbstbestimmungsrecht, wie wir es bei Patienten kennen. Was will ich, das mit mir geschehe? Die Antwort darauf muss der höchste Maßstab sein, zumal für alle folgenschweren Handreichungen, wenn man schon todkrank oder sterbend ist. Hier soll nicht irgendjemand die Entscheidung treffen: nicht eine Pflegekraft im Altenheim, nicht mal der Arzt und nicht die Angehörigen. Sie alle haben nur die eine Pflicht: im Sinne der ihr Anvertrauten einzutreten, wenn diese nur noch hilflos sind. Die 77-Jährige, um die es in dem Verfahren ging, hatte ihre Tochter ausdrücklich ermahnt, dass sie im Falle eines Komas keine lebenserhaltenden Maßnahmen wünsche. Darüber hatte sich das Pflegeheim hinweggesetzt, das auch die Anweisung des Arztes ignorierte, die künstliche Ernährung abzusetzen.

Das Urteil schafft ein wenig Sicherheit und weist in die richtige Richtung. Es stärkt den Willen von Patienten und wertet auch Patiententestamente auf. Doch ändert der Richterspruch nichts am grundsätzlichen Dilemma der modernen Medizin. Wann soll sie im Einzelfall vom Versuch, Leben zu erhalten, lassen? Die Grauzone ist groß zwischen In-Frieden-sterben-Lassen und Aktiv-am-Tod-Mitwirken. Hier wären klärende Worte und Abgrenzungen wichtig. Die Hoffnung bleibt, dass der Bundesgerichtshof diese in der Urteilsbegründung nachliefert.

Denn es wäre fatal, wenn sich jetzt jene unseligen Suizidhelfer bestätigt fühlten, unter denen der frühere Hamburger Justizsenator Roger Kusch ein prominenter ist. Aufs Selbstbestimmungsrecht darf sich jedenfalls nicht berufen, wer nur merkwürdige, oft krankhafte Todessehnsüchte vollstreckt.