Justizminister versuchen, die Sicherungsverwahrung zu regeln.

Der Erste, der Ende Mai die Haftanstalt Saarbrücken verlassen konnte, obwohl Gutachter ihn für so etwas wie eine tickende Zeitbombe hielten, hieß Walter H. Ein Mörder und Gewalttäter, vor dem die Allgemeinheit geschützt werden muss. Bis zu 100 nicht weniger gefährliche derzeit noch Inhaftierte könnten ihm bundesweit in die Freiheit folgen, weil die Gerichte umsetzen müssen, was der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte zur nachträglichen Sicherungsverwahrung vorgegeben hat. Er hält sie für rechtswidrig. Es ist nicht schwer, sich vorzustellen, in welcher Angst vor Vergewaltigern, Kinderschändern, Mördern und Serienbrandstiftern die Nachbarn leben, denen die Erklärung, alles sei mit rechten Dingen zugegangen, sicher nicht ausreicht.

Doch die Straßburger Richter haben kurzerhand deutlich gemacht, dass ein "Wegsperren" von Menschen, wie es der ehemalige Bundeskanzler Gerhard Schröder so plakativ forderte, in einem Rechtsstaat nicht so einfach möglich ist. Und seien sie auch noch so gefährlich. Mit so viel Menschlichkeit sind nun allerdings alle schlicht überfordert. Die Bürger, die nicht in der Nähe der Entlassenen wohnen wollen. Die Politiker, die Wege zum Schutz der Bevölkerung finden und gleichzeitig in ihrer Gesetzgebung dem Urteil folgen müssen. Die Polizei, die eine massive Überwachungsaufgabe auf sich zukommen sieht, und letztlich auch die Entlassenen, die ohne jede Vorbereitung auf der Straße stehen.

Die Justizminister der Länder und des Bundes haben gestern immerhin einen kraftvollen Anlauf unternommen, mit einem neuen Gesetz wieder Herr der Lage zu werden, ohne zu große Erwartungen wecken zu wollen. Die elektronische Fußfessel zur Überwachung entlassener Straftäter wird nicht mehr als ein Beruhigungspflaster für die Bürger sein können. Denn ähnlich wie eine Überwachungskamera hilft sie eher, hinterher den Schuldigen zu finden, als ihn vorher von der Tat abzuhalten. Ehrlicherweise erwecken die Justizminister auch nicht den Eindruck, damit die Lösung gefunden zu haben. Es geht eher darum, nichts unversucht zu lassen. Unverständlich bleibt deshalb, warum auf die Möglichkeit, die Sicherungsverwahrung nachträglich zu verhängen, ganz verzichtet werden soll. Trotz des Straßburger Urteils sollten die Minister diesen Weg nicht aufgeben und eine Fassung finden - im Sinne des Menschenrechts.