Einen besseren Zeitpunkt hätte das Kabinett für die Verabschiedung des Integrationsberichts kaum wählen können: Denn bei der Fußball-Europameisterschaft in Polen und der Ukraine zeigt sich dieser Tage, wie Integration gelingen kann. Dort spielen sich die Özils und Khediras mit den Neuers und Lahms in die Herzen der Fans - nicht nur in Deutschland, sondern in ganz Europa. Und auf den Fanmeilen der Metropolen fiebern und feiern deutsche Bürger, sogenannte Menschen mit Migrationshintergrund und "Biodeutsche" gemeinsam mit ihrer Elf. Hierzulande entsteht ein gemeinsamer Nenner, der Zuwanderer wie Alteingesessene verbindet. Es wächst ein entspannter Patriotismus; es erklingt eine Hymne, derer man sich nicht länger schämt; es ist ein Land, das man mögen darf.

Nun sollte man den Fußball nicht überhöhen, aber die Botschaft ist deutlich: Integration kann gelingen. Zuwanderung bereichert, und die Potenziale gerade der Einwandererkinder müssen gehoben werden. Dies ist auch die Botschaft des Integrationsberichts: Demzufolge haben Kinder aus Einwandererfamilien in der Bildung beträchtlich aufgeholt. Mehr Kinder aus Einwandererfamilien besuchen Kindertagesstätten, die Zahl der ausländischen Schulabbrecher sinkt, die der Migranten mit höheren Abschlüssen steigt. Das sind Wahrheiten, die man nach der hysterischen Sarrazin-Debatte gar nicht häufig genug wiederholen kann.

Es ist ein Sieg der Realisten über die Radikalen. Viel zu lange war Integrations- und Zuwanderungspolitik ein Spielfeld von Extremen. Auf der einen Seite bedienten Konservative Vorurteile und Ängste, auf der anderen überhöhten Linke jeden Ausländer zu einem besseren Menschen. Während die einen noch wider besseres Wissen leugneten, dass Deutschland ein Einwanderungsland sei, schwadronierten andere vom "multikulturellen" Paradies. Heute weiß man, dass Integration ein Fakt ist, kein Spaziergang - vor allem eine Herausforderung, die dieses Land annehmen muss.

Ironischerweise ist ein Wegbereiter des Realismus jemand, der mit dem Radikalismus kokettierte: Der ehemalige hessische Ministerpräsident Roland Koch (CDU) war der Erste, der 2002 verpflichtende Sprachtests für Vorschulkinder einführte. Was heute eine Selbstverständlichkeit ist, empörte vor zehn Jahren die Massen. Kritiker warnten vor einer "Zwangsgermanisierung", die SPD betonte die Vorzüge der Zweisprachigkeit, die Grünen wüteten gegen diesen "populistischen Quatsch" und die PDS sprach von "partiellem Schulverbot".

Heute weiß man es besser. Doch die klügere Bildungspolitik allein macht aus Deutschland noch kein kluges Einwanderungsland. Hier haben bislang zu oft die Kräfte des Beharrens und Verhinderns obsiegt.

Im Kampf um die Talente der Welt muss die Bundesrepublik offener, moderner und selbstbewusster werden. Natürlich dürfen humanitäre Fragen nicht ausgeblendet werden, gleichwohl darf ein Land durchaus auch die Frage nach dem eigenen Nutzen stellen. Klassische Einwanderungsländer wie Kanada oder Australien wählen ihre Einwanderer akribisch aus, nach Punkten für Alter, Ausbildung oder Sprachkenntnisse. Das sollte auch Deutschland tun.

Zugleich muss es darum gehen, Zuwanderer schneller zu integrieren. Von Migranten darf und muss erwartet werden, dass sie sich Sprache, Gesetzen und Gebräuchen stellen. Die Deutschen wiederum müssen Vorbehalte und Berührungsängste überwinden und auf die Neubürger zugehen. Gerade in den Tagen der Euro-Krise sucht man hierzulande vergeblich nach den großen Initiativen, die eingewanderte Südeuropäer in Sportvereine holen, ihnen bei der Wohnungssuche helfen und sie beim Einleben begleiten. Stattdessen diskutierte man monatelang über "Deutschland schafft sich ab" von Thilo Sarrazin. Das Ärgerliche am Buch war weniger der Inhalt, der neben kruden Thesen auch wichtige Wahrheiten enthielt. Das Ärgerliche war, dass offenbar nicht wenige der 1,5 Millionen Buchkäufer ihre Vorurteile über Ausländer belegt wissen wollten.

Dabei können wir auch anders: Die deutsche Nationalelf öffnet derzeit Augen und Herzen - und präsentiert Deutschland als weltoffenes Land.