Die GEMA will 2013 ihr Tarifsystem ändern. Hamburger Gastronomen und Diskothekenbetreiber klagen über extreme Preissteigerungen.

Hamburg. Auf der Reeperbahn nachts um halb eins ist es bald vielleicht sehr, sehr still. Das befürchten zumindest viele Kneipen- und Diskothekenbetreiber, für die von 2013 an ein neues GEMA-Vergütungssystem gelten soll. "Die Lage ist ernst", sagt Frank Stricker von der Fachabteilung Diskotheken des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbands (Dehoga) Hamburg. "Die neue Tarifstruktur bedeutet eine extreme Preissteigerung und für drei Viertel aller Klubs und Diskotheken womöglich das Aus."

Ein Beispiel, das für viele steht: Bisher zahlt Saudi Wolde-Mikael, Betreiber der Washington Bar auf St. Pauli, 1000 Euro pro Jahr an die Verwertungsgesellschaft der Musiker. Von Januar an wären es laut Dehoga 5600 Euro. Eine Preissteigerung um 460 Prozent - "das ist Wahnsinn", sagt Wolde-Mikael. "Wir können das Geld ja nicht auf die Getränkepreise aufschlagen und einfach das Fünffache für ein Bier verlangen."

Für andere Lokalitäten ist die Preissteigerung noch extremer. So fallen für Daniel van Cleef, Geschäftsführer des Beach-Clubs Sky and Sand, bald 44 000 statt 8500 Euro pro Jahr an. "Das ist wirtschaftlich nicht tragbar", sagt er. "Und der Gast wäre letztendlich der Leidtragende." Aber auch Touristenmagneten wie das Dollhouse sind betroffen. Von 17 000 auf 227 000 Euro würde hier der Tarif nach Angaben des Dehoga steigen. Ein Existenzrisiko für die Betreiber. Entweder sie zahlen das gut Dreizehnfache, oder die Frauen tanzen ohne Musik.

Derzeit gibt es noch elf GEMA-Tarife. "Diese sind relativ unübersichtlich und unausgewogen", sagt Gaby Schilcher, Sprecherin der Verwertungsgesellschaft. Besonders große Diskotheken seien lange Profiteure von im internationalen Vergleich "lächerlichen" Vergütungen gewesen.

Deshalb gibt es nun zwei neue Tarife - einen für Veranstaltungen mit Tonträgerwiedergabe etwa durch DJ und einen für Livemusik. Berechnet werden die Abgaben pro Tag anhand der Fläche des Raums und der Höhe der Eintrittspreise. "Es sind aber nie mehr als zehn Prozent der Einnahmen durch Eintrittsgelder", behauptet Gaby Schilcher.

Kommen kaum Gäste, könne zudem eine Härtefallregelung genutzt werden. Für Musikkneipen etwa, die keinen Eintritt verlangen, wird eine Mindestvergütung von 22 Euro pro 100 Quadratmeter veranschlagt. "Für einige wird es günstiger, für viele bleibt es auf einem ähnlichen Niveau, und für manche wird es teurer", sagt Gaby Schilcher.

+++ Gemeinsam gegen Gema-Abzocke +++

Zu den Kritikern sagt sie: "Das zeigt eigentlich nur, wie wenig sie vorher gezahlt haben." Sie könne aber verstehen, dass der geplante Anstieg viele schockiert. "Insgesamt ist das neue System dennoch viel fairer."

"Nahezu alle Klubs, Bars und Diskotheken sind betroffen", sagt Frank Stricker vom Gaststättenverband. Dies sei aber noch nicht bei allen angekommen. "Wir müssen aktiv werden, und zwar schnell - sonst ist die viel geliebte und weltberühmte Musikstadt Hamburg bald am Ende."

Er geht von Konzeptänderungen und Schließungen aus. Auch Dehoga-Geschäftsführer Gregor Maihöfer ist pessimistisch: "Wenn die neuen Tarife so kommen, wird es Viertel wie St. Pauli und die Sternschanze nicht mehr mit der Kneipen- und Szenekultur geben, wie wir sie heute kennen."

Die Gastronomen wollen das verhindern, indem sie die Öffentlichkeit über das Problem informieren. "Wir müssen auch den Gästen klarmachen, was das bedeutet", sagt Tim Becker, unter anderem Betreiber des Thomas Read. "Weniger Klubs, weniger Veranstaltungen und höhere Preise." Dafür sei aber eine gute Vernetzung nötig. Deshalb haben sich gut 30 Gastronomen, Mitglieder der Fachabteilung Diskotheken des Dehoga, jetzt im Restaurant Zippelhaus getroffen. Sie planen Aktionen wie zum Beispiel Unterschriftenlisten gegen das neue Tarifsystem.

Im Internet gibt es bereits eine Petition mit dem Namen "Gegen die Tarifreform 2013 - GEMA verliert Augenmaß". Fast 140 000 Unterstützer aus ganz Deutschland haben bereits im Netz unterschrieben, denn nicht nur Hamburg ist betroffen.

Die GEMA hat, um den Konflikt zu lösen, ein Schiedsstellenverfahren initiiert, dem die Bundesvereinigung der Musikveranstalter nun zugestimmt hat. Die Schiedsstelle beim Deutschen Patent- und Markenamt soll die neuen Tarife nun neutral beurteilen und vermitteln.