Haspa-Kunden verlieren die Hälfte ihres Geldes. Schadenersatzansprüche sind verjährt. Die Bank bietet Kunden Beratungsgespräche an.

Hamburg. Bis zuletzt hatte Haspa-Kundin Cornelia L. gehofft, nicht auf den Verlusten sitzen zu bleiben. Denn statt versprochener hoher Zinsen stellten sich bald Verluste nach dem Erwerb des Wertpapiers ein. Ihr Anlageberater riet nach ihrer Darstellung dennoch, das Papier zu halten. Es würde wieder besser. "Und wenn es wirklich schiefgeht, würde sich die Zentrale etwas einfallen lassen", berichtet L. dem Abendblatt. Denn es ist nicht irgendeine Anlage, sondern ein Jubiläumsangebot zum 180-jährigen Bestehen der Hamburger Sparkasse (Haspa). Werbeslogan auf der Verkaufsbroschüre: Das Fest der unglaublichen Angebote.

Umso härter traf L. deshalb das letzte Beratungsgespräch. "Mir wurde geraten, das Papier zu verkaufen. Doch damit würde ich rund die Hälfte meines eingesetzten Kapitals von 25.000 Euro verlieren", sagt L. Wie viele andere Kunden auch hatte sie das Haspa-Jubiläums-Angebot Nummer 13 auf Anraten ihres Beraters erworben. Das war im Jahr 2007. "Mir wurden attraktive Zinsen versprochen. Von so hohen möglichen Verlusten war nicht die Rede, sonst hätte ich nicht einen so hohen Betrag investiert", sagt L.

Bei der Hamburger Verbraucherzentrale häufen sich die Beschwerden zum Jubiläumsangebot. "Wir haben den Eindruck, dass die Haspa diese Anlage im ganz großen Stil verkauft hat", sagt Finanzexpertin Gabriele Schmitz. Zur Zahl der Betroffenen will die Haspa keine Angaben machen. Einen Fragenkatalog lässt die Sparkasse weitgehend unbeantwortet. Viele Anleger haben inzwischen Anwälte eingeschaltet. In der Regel enden die Prozesse mit einem Vergleich. "Wir hatten mindestens 40 Fälle, die verglichen wurden", sagt der Hamburger Anwalt Ulrich Husack. "Die Haspa hat 50 Prozent des Schadens ersetzt." Auch die Kanzlei Hahn Rechtsanwälte bestätigt Vergleiche.

+++Haspa sieht Sparzinsen noch lange auf sehr niedrigem Niveau+++

Das Jubiläumsangebot ist ein Express-Bonus-Zertifikat, herausgegeben von der HSH Nordbank. Im günstigsten Fall bekommen die Anleger schon nach einem Jahr 107 Prozent des eingezahlten Geldes zurück. Zusätzlich spendiert die Haspa noch 1,8 Prozent Jubiläumsbonus. Aus Sicht der Sparkasse ist die schnelle Rückerstattung (daher der Name Express) nicht unwahrscheinlich. Aus einer Betrachtung der Börsenentwicklung der Vergangenheit schlussfolgert sie in der Produktbeschreibung: In 76 Prozent aller Fälle ist eine vorzeitige Rückzahlung bereits nach 13 Monaten möglich. "2007 war das Zertifikat ein gutes und empfehlenswertes Investment", sagt Haspa-Sprecherin Stefanie von Carlsburg.

Doch die Zinszahlungen hängen von der Entwicklung des Aktienindexes EuroStoxx50 ab. Als das Papier Ende August 2007 startet, steht das Börsenbarometer bei knapp 4300 Punkten. Doch wenn der Index ein Jahr später mehr als fünf Prozent gesunken ist, fällt die Zinszahlung aus und wird auf das Folgejahr verschoben. Genauso kommt es. Nach Einschätzung der Haspa war das nicht vorhersehbar und ist der Finanzkrise geschuldet. Nach zwei Jahren hat der Index schon 35 Prozent gegenüber dem Startniveau verloren. Die stets aufgeschobenen Zinszahlungen rücken in immer weitere Ferne, bevor es schließlich im Februar 2009 für das Zertifikat zum GAU kommt: Der EuroStoxx50 fällt unter die Barriere von 2147 Punkten. Das bedeutet, alle Zinszahlungen werden hinfällig, und auch die Rückzahlung des eingesetzten Kapitals im Oktober 2012 ist damit in Gefahr. Von jetzt an ist das Papier lediglich noch ein Indexzertifikat, das sich genauso entwickelt wie der EuroStoxx50. Gegenüber August 2007 hat das Börsenbarometer 46 Prozent an Wert verloren. Hoffnung bleibt für die Anleger dennoch: "Der Anleger hat die Chance, von einer Erholung des Indexes eins zu eins zu profitieren", sagt Rune Hoffmann von der HSH Nordbank.

Die Frage ist: Kannten die Anleger den Mechanismus des Zertifikats, das nichts anderes ist als eine Wette auf den EuroStoxx50? Hätten die Anleger nicht stutzig werden müssen, auf eine vermeintliche Zinsanlage knapp neun Prozent Zinsen zu bekommen, wenn es damals am Markt nur 2,5 Prozent gab? Auf acht Seiten wird das Jubiläumsangebot beschrieben. Doch selbst im dort genannten Worst-Case-Szenario verliert das Papier nur 20 Prozent seines Wertes. Vom Totalverlust ist erst auf der letzten Seite die Rede. Überwiegend werden die Chancen betont. "Die Ausgestaltung des Zertifikats ist ausführlich beschrieben", sagt Jürgen Kurz von der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz. "Doch für Laien ist es nicht einfach, die unterschiedlichen Szenarien zu erfassen, geschweige denn zu bewerten. Das Produkt ist zu komplex." Den Charakter einer Wette, bei dem der Emittent, die HSH Nordbank, die genau entgegengesetzte Erwartung vertritt, dürften die Anleger nicht erkennen, meint der Anlegerschützer. Umstritten ist, ob alle Anleger diese Verkaufsinformation vor dem Erwerb erhalten haben und ob diese Anlage am Telefon verkauft werden konnte.

So wie im Fall von Horst-Dieter Dose. "Ich habe mich auf Druck des Beraters am Telefon zum Erwerb des Papiers überreden lassen", sagt er. 30 000 Euro investierte er, die jetzt nur noch die Hälfe wert sind. Deshalb klagte der 72-Jährige gegen die Haspa auf Schadenersatz. In seinem Fall setzt Anwalt Husack auf eine fehlende Widerrufsbelehrung, da das Geschäft am Telefon geschlossen wurde. "Unter Umständen ist der gesamte Vertrag nichtig, wenn der Kunde nicht belehrt wurde, dass er innerhalb von zwei Wochen vom Vertrag zurücktreten kann", sagt Husack. Die Richter am Landgericht Hamburg wollen diesen Fall jetzt dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) vorlegen. Ein offensichtlich überlegter Schachzug, denn so werden die Berufungsinstanzen Oberlandesgericht Hamburg und Bundesgerichtshof (zunächst) übersprungen, die in der Vergangenheit häufig der Haspa recht gaben. "Der EuGH soll klären, ob es Einschränkungen beim Widerrufsrecht in Bezug auf Finanzgeschäfte gibt", sagt Husack.

Für die meisten Anleger ist es aber für eine Klage zu spät. Von Sonderfällen abgesehen verjähren Schadenersatzansprüche bereits drei Jahre nach dem Erwerb. Das Jubiläumspapier wird im Oktober zurückgezahlt. Zu welchem Wert hängt von der Kursentwicklung des EuroStoxx50 ab. "Jedem betroffenen Kunden bieten wir ein ausführliches Beratungsgespräch an", sagt von Carlsburg. "Gegebenenfalls suchen wir dann gemeinsam mit den Kunden nach Lösungen." Das bedeutet, manche Kunden bekommen einen Teil ihrer Verluste ersetzt, andere wie Frau L. nur ein Trostpflaster: Wenn sie jetzt verkauft und das Papier bis zum Oktober 2012 im Wert noch steigen würde, steht die Haspa für diese entgangenen Gewinne ein.