Ein schmucker Ort für grünes Wohnen in zentraler Randlage

Wer bei Ria einkauft, muss die Tasche vor der Ladentür lassen, sonst wird es eng. Im kleinsten Laden von Wellingsbüttel warten auf bummeligen sechs Quadratmetern Puppenstuben und daumengroße Strickliesel, Stadtpläne, Würfelpuzzle auf neue Besitzer. Nichts von der Stange, darauf ist Ria Jünke stolz: "Ich baue die meisten Stücke unter der Lupe, sie sind einfach zu klein." Das sind Kostbarkeiten wie ihr Adventskalender, zwei mal drei Zentimeter klein und alle 24 Türchen lassen sich öffnen. Rias Ministübchen liegt ein paar Stufen hoch über dem Wellingsbüttler Weg, angekuschelt an die Alte Apotheke. Er ist nur mittwochs von 15 bis 18 Uhr geöffnet.

Mit Lebensmitteln versorgt man sich "im Dorf" am S-Bahnhof Wellingsbüttel. Dienstag- und Freitagvormittag ist Markt. Das war nicht immer so bequem. In den vergangenen vier Jahrzehnten waren Supermarkt und viele Läden verschwunden, alles schien wie aufgesogen vom AEZ (Alstertal-Einkaufszentrum) in Poppenbüttel. Dann kam 2007 das neue Zentrum mit Marktplatz und Ärztehaus samt Supermarkt. Seitdem ist wieder Leben im Dorf. Boutiquen und der Drogeriemarkt "Budni" kamen dazu. Selbst ein Schokoladen-Lädchen zog es von der Papenhuder Straße (Uhlenhorst) hierher.

Weniger Glück hatten Geschäftsleute, die nach dem Krieg an der Saseler Chaussee ihr Geschäft eröffneten. Mit dem vierspurigen Ausbau begann das große Sterben. Nur ein Delikatessladen und eine Schlachterei konnten sich an der Kreuzung zum Classenweg halten.

+++ Name & Geschichte +++

+++ Der Stadtteil-Pate: Hans Raczinski +++

+++ Töchter & Söhne +++

+++ Kurz & knapp +++

+++ Fläche & Bevölkerung +++

Die Steuerfreiheit ist leider passé

1651 erklärte die schwedische Königin Christina Wellingsbüttel zu einem souveränen Besitz, der keine Steuern mehr zu zahlen hatte. Die Familie von Kurtzrock, seit 1673 Grundbesitzer, festigte gern diesen Sonderstatus. Clemens August von Kurtzrock (1745-1822) widersetzte sich so hartnäckig der inzwischen dänischen Landesregierung, dass der dänische Kronprinz reagierte: Im Winter 1805/06 ließ er das Gut von einer Handvoll Soldaten besetzen. Die von Kurtzrock mussten noch im selben Jahr an Dänemark verkaufen.

Die besondere Stellung seiner Bewohner ist geblieben. Nur gebildete und begüterte Familien konnten sich die großen Grundstücke leisten, als die Ländereien 1912 durch die Alsterthal-Terrain-Actien-Gesellschaft (ATAG) des Bürgerschaftsmitglieds und Grundstücksspekulanten Johann Vincent Wentzel aufgeteilt wurden. Der ländlichen Charakter des Gebietes sollte erhalten werden, deshalb mussten viele Grundstücke mindestens 5000, später etwa 2000 Quadratmeter groß sein. Mit dem Verkaufserlös wurde damals die Bahnlinie nach Poppenbüttel finanziert. Einzel- und Doppelhäuser prägen den Stadtteil bis heute.

Ein ordentliches Stück Natur

Die Stadtplaner von 1912 wollten einen grünen Ort. Mächtige alte Buchen und Eichen säumen noch heute den Alsterlauf. Grünzonen und drei Waldgebiete sind erhalten. Das größte liegt an der Grenze zu Bramfeld. In den kalten Kriegswintern verheizt, nach dem Krieg sofort wieder aufgeforstet, ist es heute Gassiwald für Hundebesitzer.

Am Bahnhof Hoheneichen liegt der Dr.-Helmut-Thielicke-Park, in Gedenken an den Theologieprofessor. Auch Heinz Erhardt lebte mit seiner Familie in Wellingsbüttel. In "seinem" Park am Rabenhorst erfreuen den Besucher Weisheiten aus seiner Feder auf Schildern: "Man muss sich notfalls jemand mieten, hat man an Geist selbst nichts zu bieten." Oder: "Das Reh springt hoch, das Reh springt weit, warum auch nicht - es hat ja Zeit."

Der bekannteste Baum steht mitten auf der Kreuzung Wellingsbüttler Weg/Rolfinckstraße auf einer kleinen Verkehrsinsel: die Friedenseiche, gepflanzt 1871 nach dem Deutsch-Französischen Krieg. Dass die Eiche trotz des Asphaltkorsetts noch steht - fast ein Wunder. Das gleichnamige Ausflugslokal an der Kreuzung hat nicht so lange durchgehalten. Es schloss vor einigen Jahren, das Inventar wurde versteigert, das Haus abgerissen. Gerade wird die Baulücke mit einem Neubau geschlossen.

Magnet für Familien

Es besteht kein Zweifel, die älteren Jahrgänge sind in der Mehrzahl, und wer es sich leisten kann, genießt die letzten Jahre des Lebens gut umsorgt in einer der Seniorenresidenzen. Aber der Generationswechsel ist schon in vollem Gange. Junge Paare mit Kindern zieht es hierher, weil der Nachwuchs in den ruhigen Nebenstraßen gefahrlos aufwachsen kann. Ein staatlicher Kindergarten am Rabenhorst und mehrere private Träger kümmern sich um die jungen Neubürger. Ein Angebot weit über Hamburger Durchschnitt. Die meisten Kinder von Wellingsbüttel starten ihre Schulkarriere in der Grundschule an der Straße Strenge. Danach geht es meist in die Gymnasien der Umgebung oder zur Irena-Sendler-Stadtteilschule an der Straße Am Pfeilshof.

Gesunder Bürgersinn

Kontakte fürs Leben werden früh geknüpft: mit der Mitgliedschaft im Sportverein. Es ist kein Zufall, dass zwei erfolgreiche Hockeyklubs ihr Domizil in Wellingsbüttel haben. Der Klipper THC am Eckerkamp 40 und der Club an der Alster, Am Pfeilshof 16. Zum Fußballkicken trifft man sich um die Ecke beim TSC Wellingsbüttel an der Waldingstraße 91. Der Verein hat auch eine große Sparte für den Breitensport.

Mit dem Torhaus in Wellingsbüttel verbindet man im Alstertal hochkarätige Konzerte, Lesungen, Ausstellungen und Theaterstücke - fast 60 Termine im Jahr. Nina Petri liest hier und sogar Herman van Veen kam auf ein Konzert vorbei. Das stramme Programm stemmen die Vorsitzenden Vera Stein und Michael Buchholz vom "Kulturkreis" mit gut drei Dutzend weiteren Ehrenamtlichen. Gleichzeitig dient das Haus noch als Kulisse für Hochzeiten, ist von Mai bis September Außenstelle des Standesamts. Die Warteliste ist lang. Ähnlich engagiert geht es im Torhaus auf dem linken Flügel zu. Im Alstertalmuseum sind bäuerliche Relikte aus den umliegenden Stadtteilen ausgestellt. Auch die Alsterschifffahrt und die Kleinbahn Rahlstedt-Wohldorf leben hier wieder auf. Ein Abstecher vom Alsterwanderweg lohnt sich: Das Museum ist am Wochenende (11-13 und 15-17 Uhr) geöffnet.

Abstimmungsproblemen unter den Vereinen begegnet man mit zwei Treffen im Jahr im Lichtwarkausschuss, zu dem auch Schulvertreter, Bezirksamt und Polizei geladen sind.

Die Kirche von Wellingsbüttel liegt auf einem geschichtsträchtigen Hügel. 1937 hat man das wuchtige Bauwerk der Lutherkirche neben das bronzezeitliche Grab am Knasterberg gesetzt. Ihre Gemeindemitglieder haben sich mit ihrer Kirchenmusik einen Namen gemacht. In der Kirche steht eine Schuke-Orgel.

An der Saseler Chaussee liegt das Gemeindehaus der Christengemeinde Alstertal. Ihre Mitglieder geben zweimal die Woche an ihrem Gabentisch Lebensmittel an Bedürftige aus.

Einen guten Ruf genießt auch die Freiwillige Feuerwehr am Schulteßdamm. Zur Mannschaft um Wehrführer Dennis Binge gehören auch sechs Frauen. Die Feuerwehr pflegt eine schöne jährliche Tradition am 3. Oktober. In zwei Laternenumzügen marschieren Jung und Alt zur Friedrich-Kirsten-Straße. Die Stimmung ist festlich: Auf dem Wasser spiegeln sich die Laternen, die Wasserorgel rauscht zur Musik. Bei Würstchen, Bier und Brause genießt man gemeinsam das Abschlussfeuerwerk. Mehr Wohlfühlen geht nicht.

In der nächsten Folge am 23.4.: Wilhelmsburg