So eine Brandrede wie in dieser Woche dürften die Mitarbeiter des Hamburger Otto-Konzerns selten erlebt haben. Dass ein Betriebsratsvorsitzender den Vorstand frontal angreift und ihm Konzeptlosigkeit und eine fehlende Strategie vorwirft, ist einmalig in dem Familienunternehmen. Bislang war dem Management und auch Eigentümer Michael Otto stets daran gelegen, harmonisch mit den Beschäftigten auszukommen.

Die nun aufkommende Kritik zeigt, wie groß die Verunsicherung in der Belegschaft über das bevorstehende Sparprogramm mit dem unscheinbaren Namen Fokus ist. Niemand weiß bislang, wie viele Arbeitsplätze bei der engeren Verzahnung der deutschen Versender Otto, Baur und Schwab auf der Strecke bleiben werden oder ob es gar gelingt, ganz auf Stellenstreichungen zu verzichten. Die Mitarbeiter haben aber einen Anspruch darauf, möglichst bald zu erfahren, wie es weitergeht.

Grundsätzlich ist der Ansatz, das deutsche Versandgeschäft zu bündeln und so Kosten zu sparen, sicher nicht falsch. Allerdings dürfte dies kaum ausreichen, um langfristig auf die Herausforderungen im Online-Geschäft zu reagieren. Letztlich muss Otto einen Weg finden, den guten Service und den attraktiven Auftritt im Netz mit wettbewerbsfähigen Preisen zu verbinden.

Der Otto-Vorstand muss nun beweisen, dass er nicht Synergien heben und Stellen streichen, sondern auch eine zukunftsfähige Strategie für das deutsche Versandgeschäft entwickeln kann. Dann wird auch das Vertrauen der Mitarbeiter in die Führungsspitze zurückkehren.