Das Ouessantschaf Edith Piaf kann nicht singen, aber gehört zur kleinsten Schafrasse Europas. Die Tiere waren fast ausgestorben.

Stellingen. Die kleine Französin mit dem dunklen Haarschopf steht so da, als würde sie jeden Moment loslegen. Mit dem Singen? Nun ja, das hat Thomas Feierabend von seiner Edith Piaf noch nicht gehört. Ist sie doch ein Schaf, und damit nur määähhßig begabt im akustischen Bereich. Für etwas anderes jedoch ist der Spatz von Stellingen weltberühmt: Edith Piaf gehört zu der Rasse der Ouessantschafe, und die ist die kleinste Schafrasse Europas.

"Kleine Rasenmäher für den Garten", nennt Reviertierpfleger Feierabend seine fünf Ouessantschafe dann auch liebevoll-schnodderig. Im Tierpark Hagenbeck teilen sich die kleinen Wolleträger ihr Gehege im Haustierrevier mit den Zwergziegen und den Owambo-Ziegen. Das war allerdings nicht von Anfang an so: "Die Schafe waren die ersten Wochen nach ihrer Geburt bei einer Kollegin zu Hause", erzählt Thomas Feierabend.

Eine medizinische Vorsichtsmaßnahme - können Ouessantschafe doch Träger von Herpes-Viren sein, durch die Rinder schwer erkranken können. Feierabend: "Und da wir im Haustierrevier auch Rinder haben, ist hier Vorsicht geboten." Durch das Abtrennen der Kleinen von der Mutter direkt nach der Geburt verhindere man die Übertragung des Virus, so die Hoffnung, sagt Zootierärztin Dr. Adriane Prahl: "Und es sieht gut aus: Bisher waren unsere Tests bei den Schafen negativ."

Dadurch, dass Edith Piaf, ihre drei Schwestern und ihr Bruder acht- bis zehnmal täglich in der ersten Zeit mit der Flasche gefüttert wurden, seien sie auch jetzt noch, ein Jahr später, "extrem zutraulich", sagt ihr Tierpfleger. Auch wenn sie längst von Milch auf Grünfutter umgestiegen sind.

+++ Cora, ein baumbewohnender Turban +++

Das Ouessantschaf, das auch Bretonisches Zwergschaf genannt wird, stammt ursprünglich von der Ile d'Ouessant, einer knapp 20 Quadratkilometer großen, baumlosen, französischen Atlantikinsel. Edith Piafs schwarze Fellfarbe ist der vorherrschende Farbschlag, es gibt Ouessantschafe aber auch in Braun oder Silber, sagt Thomas Feierabend.

Während ausgewachsene Böcke, die man an ihrem schneckenförmigen Gehörn erkennt, bei einer Schulterhöhe von bis zu 49 Zentimetern etwa 15 Kilogramm schwer werden, halten sich die Weibchen mit dem Gehörn (besitzen nur kleine Hornstümpfe), der Schulterhöhe (maximal 46 Zentimeter) und dem Gewicht (höchstens zwölf Kilogramm) dezent zurück.

Zurück ging zwischen 1930 und 1940 auch die Population der Ouessantschafe auf ihrer Heimatinsel, von der sie schließlich völlig verschwanden und im Verlauf des letzten Jahrhunderts auch sonst fast völlig ausgestorben wären, da man größere Schafrassen einkreuzte. "Heute sind die Tiere aber wieder ziemlich in Mode, auch weil sie so robust und anspruchslos sind", sagt Feierabend. Ihr handfestes Naturell liege wohl an ihrer Inselherkunft, so der Tierpfleger: "Da gab es ja nur Scheißwetter und wenig Futter."

Bei Hagenbeck stehen den Schafen im kommenden Monat zwei große Ereignisse bevor: Einmal im Jahr müssen sie geschoren werden, was ein Tierpflegerkollege übernimmt, der vor seiner Tätigkeit im Tierpark Schäfer war. Und zum anderen werden ab Mai die Jungtiere geboren, wobei es bei den Ouessantschafen immer nur ein Lamm und nur äußerst selten Zwillinge gibt.

Ob Edith Piaf Mutter wird, kann Thomas Feierabend noch nicht sagen. Sie sagt ja nix, die Lütte. Eine einzige Lautäußerung kennt ihr Tierpfleger, und die ist schnell beschrieben: "Wenn Hunger, dann Mäh."

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