Viele Anbaubetriebe in den Vier- und Marschlanden leiden unter der Billigkonkurrenz aus dem Ausland und den steigenden Energiekosten.

Hamburg. Wenn deutsche Blumenvasen sprechen könnten, würden sie mittlerweile wohl fließend auf Niederländisch grüßen. Denn rund 80 Prozent aller in Deutschland verkauften Schnittblumen stammen aus dem westlichen Nachbarland. Das Geschäft mit der Blütenpracht lohnt sich. Mit einem Marktvolumen von 8,3 Milliarden Euro ist Deutschland der größte Markt für Blumen und Zierpflanzen in Europa. Doch von diesem großen Kuchen bekommen immer weniger regionale Erzeuger ein Stück ab. Die steigenden Energiekosten machen es ihnen immer schwieriger, mit den Weltmarktpreisen mitzuhalten.

"Immer mehr Erzeuger geben ihre Betriebe auf oder legen sie mit anderen zusammen", sagt Klaus Bengtsson von der Marktgemeinschaft Blumengroßmarkt Hamburg eG. Rund 200 Mitglieder hat die Genossenschaft. Darunter finden sich neben Großhändlern alleine 130 Erzeuger aus den Vier- und Marschlanden im Bezirk Bergedorf. Es ist das wichtigste Anbaugebiet für Schnittblumen in der Region.

+++ Kommentar: Der Preis der billigen Blumen +++

Die Hälfte des Blumenangebots auf dem Hamburger Großmarkt stammt von dort. Damit stellt sich der Großmarkt zwar gegen den deutschlandweiten Trend, überwiegend auf Importware zu setzen. Doch es gibt immer weniger Produzenten, die sich das Heizöl für ihre Gewächshäuser noch leisten können. Einige Schnittblumensorten, die ein tropisches Klima zum Wachsen benötigen, würden schon gar nicht mehr in der Region angebaut, sagt Bengtsson. In der kalten Jahreszeit zwischen November und April kommen beispielsweise Schnittrosen fast ausschließlich aus dem Ausland.

Hinzu kommt, dass der deutsche Blumen- und Pflanzenmarkt seit 2009 stagniert, wie eine Studie im Auftrag der Internationalen Pflanzenmesse in Essen zeigt. Das jährliche Wachstum von rund einem Prozent ist kaum spürbar. Auch deshalb, weil gleichzeitig die Exportquote der Niederlande nach Deutschland um rund fünf Prozent im Jahr 2011 stieg. Die deutschen Produzenten werden nach und nach vom Markt verdrängt.

Der Trend der 90er-Jahre, das Leben im Sommer in den Garten zu verlegen, sei auch heute noch gültig, doch sorge er schon längst nicht mehr für große Umsatzzuwächse, sagt Bengtsson. Die Erweiterung von Anbaugebieten in Afrika und Südamerika beschleunige den Preisverfall zudem.

Bei den verbliebenen regionalen Erzeugern wird der energieeffiziente Anbau deshalb zum großen Thema. Mit neuen Dämmungsverfahren und der Umrüstung auf Pellet- oder Kohleheizungen begegnen viele Erzeuger der Kostenexplosion.

Auch Tulpenproduzent Richard Schmidt aus Neuengamme hat auf Kohle umgestellt. "Die Heizanlage habe ich einem Kollegen aus dem Münsterland abgekauft, der bereits aufgegeben hat", sagt Schmidt. 100 Tonnen Kohle verheizt der Familienbetrieb jährlich.

Wie viele Betriebe in den Vier- und Marschlanden wurde er bereits im 19. Jahrhundert gegründet und hat mit dem Gemüseanbau begonnen. Heute produziert Schmidt mit zwei Vollzeitkräften und zwei Aushilfen 220 000 Tulpen im Jahr. Daneben wird nur noch Beiwerk für Blumensträuße angebaut, wie etwa die mit feinen weißen Blüten besetzten Spierenzweige.

Es ist ein vergleichsweise kleiner Betrieb, wie es viele in den Vier- und Marschlanden gibt. An langen Straßen zwischen den Anbauflächen sind die Wohnhäuser und Betriebe wie Perlen an einer Kette aufgereiht. "Als ich Ende der 50er-Jahre anfing, lebten allein in meiner Straße rund 50 Erzeuger vom Gartenbau, heute sind noch fünf übrig", sagt Schmidt.

Konkurrenzfähig sei man nur noch mit speziellen Blumensorten, wie den sogenannten gefüllten Tulpen, die mehrere Blütenkränze haben. "Diese Sorten werden in den boomenden Anbaugebieten in Kenia, Äthiopien oder auch Kolumbien nicht angebaut, weil sie schlecht zu transportieren sind", sagt Schmidt.

Marktgemeinschaftschef Bengtsson sagt, dass der Markt nicht mehr zu alter Größe zurückfinden wird. Dennoch glaubt er an eine Überlebenschance für die verbliebenen Produzenten. "Ob die Blume 30 oder 10 000 Kilometer zurücklegt, macht eben doch einen Unterschied", sagt der 54-Jährige. Die Verbraucher würden in allen Bereichen, zum Beispiel bei Lebensmitteln, häufiger regionale Produkte nachfragen. Mit diesem Wettbewerbsvorteil müssten die Hamburger Blumen- und Pflanzenerzeuger stärker auftreten. Darum wurde die Initiative Frischepartner Blumengroßmarkt Hamburg ins Leben gerufen. Mit Aufklebern und Informationsmaterialien können Gärtner und Floristen gegenüber den Verbrauchern kenntlich machen, das sie regional erzeugte Ware führen. Damit sollte man selbstbewusst werben. "Denn noch gibt es Blumen aus der Region von hervorragender Qualität", so Bengtsson.