Die Koalition streitet nur übers Geldausgeben, leider nicht übers Sparen

Auf dem CDU-Bundesparteitag 2008 schuf Kanzlerin Angela Merkel das wortmächtige Bild der "schwäbischen Hausfrau". Was zunächst nur ein cleverer Slogan für die eigene Klientel sein sollte, stieg in der Euro-Krise rasch zum Leitbild des neuen Europa auf. Fortan sollte gespart werden, das "Leben über den Verhältnissen" ein Ende haben, der Kontinent zur Stabilitätsunion werden. Das alles klingt logisch: Wohin eine exzessive schuldenfinanzierte Politik führt, lässt sich im Süden besichtigen. Griechenland ist umgeschuldet, Portugal steht vor einem Schuldenschnitt, Spanien und Italien straucheln. Da wünscht man sich mehr Schwaben in Europa.

Und tatsächlich werden seit einigen Monaten in Südeuropa staatliche Leistungen radikal gekürzt. Nur in Berlin ist alles anders. Hier gerieren sich vor allem die kleinen Koalitionspartner nicht wie schwäbische Hausfrauen, sondern wie griechische oder spanische Politiker vor der Krise. Neue Familienleistungen? Erhöhung der Pendlerpauschale? Gefordert wird, was dem Wahlvolk gefällt. Geld spielt keine Rolle.

Weil es um das eigene politische Überleben geht, wirft etwa FDP-Chef Rösler marktwirtschaftliche Glaubenssätze über Bord. Weil an den Märkten der Ölpreis steigt und steigt, möchte er nun die Entfernungspauschale erhöhen. Natürlich hat Rösler nicht unrecht, wenn er auf den Staat als Krisengewinnler verweist. Mit jedem Extracent für Kraftstoff steigt auch das Umsatzsteueraufkommen und werden ganz nebenbei die Einnahmen des Finanzministers gemehrt. Es kann aber nicht Aufgabe der Politik sein, Marktschwankungen mit Steueränderungen zu begegnen. Ohnehin schafft die Entfernungspauschale falsche Anreize - sie nützt eher den Besserverdienern und fördert die Zersiedelung der Landschaft. Wer als Marktwirtschaftler gegen überhöhte Benzinpreise kämpfen will, sollte lieber das Kartellamt im Kampf gegen die Mineralölindustrie stärken. Das wäre gerechter und nachhaltiger.

Doch Nachhaltigkeit hat in der Kurzatmigkeit von Wahljahren keine Chance. Weil die CSU ihren Stammwählern nach den Zumutungen von Atomausstieg und Ende der Wehrpflicht mal wieder etwas Programmgerechtes präsentieren möchte, muss das Betreuungsgeld kommen. Wer seine Kleinkinder zu Hause erzieht, soll ab 2013 zunächst 100 Euro aus dem Staatssäckel bekommen. Zwar vergreifen sich Gegner im Ton, wenn sie abfällig von "Herdprämie" sprechen, in der Sache aber haben sie recht. Das Betreuungsgeld wäre eine weitere staatliche Leistung, die viel kostet, überflüssig ist und falsche Anreize schafft. Wer wie die Regierung aus gutem Grund Kleinkinder in Kitas betreuen will, sollte nicht die Alternative finanziell fördern. Das Betreuungsgeld klingt nicht nur absurd, es ist es auch. Mit derselben Unlogik könnte man auch Abiturienten, die nicht studieren, eine Prämie zahlen.

Trotzdem soll nun, so will es die "schwäbische Hausfrau" Angela Merkel, das millionenschwere Betreuungsgeld kommen. Und das in Zeiten, in denen der deutsche Haushalt trotz Rekordsteuereinnahmen noch immer rote Zahlen schreibt. Während in Europa die Schuldenkrise grassiert, erhebt die bürgerliche Koalition in Berlin das fröhliche Schuldenmachen zum Leitbild der Politik. Und die Opposition kritisiert nicht dieses Wirtschaften auf Pump, sondern spricht viel lieber von der Ausweitung staatlicher Leistungen oder Steuererhöhungen.

Einige europäische Staatenlenker hatten sich in der Schuldenkrise Deutschland als Modell ausgeguckt. Zurzeit kann man von diesem Modell nur dringend abraten.