Zur Elbvertiefung gehört zwingend der Ausbau von Straßen und Schienen im Norden

Über die geplante Elbvertiefung lässt sich heute, nach der lange erhofften Zustimmung durch Niedersachsen, zweierlei feststellen: Alle rechtlichen Regeln und Zwänge, alle politischen Rituale und Formalien wurden bei diesem enorm komplexen Vorhaben penibel eingehalten. Deshalb zieht es sich von den ersten Planungen an seit mittlerweile zehn Jahren hin.

Zuletzt wurde um Niedersachsens Ja zur Vertiefung und Verbreiterung des Fahrwassers gerungen. Für den Hamburger Hafen, den Zieleinlauf des künftig erweiterten Elbstroms, ist das Einverständnis aus Hannover eine gute Nachricht. Für die Hamburger und für die deutsche Politik aber muss der nahende Vollzug des Projekts auch ein Weckruf sein: Sollten die nötigen Arbeiten bis Ende 2014 endlich ausgeführt werden, können die größten Containerschiffe der Welt die Hansestadt in weit größerer Zahl und mit weit mehr Ladung anlaufen als heutzutage.

Die Hamburger Terminals bei der HHLA und bei Eurogate sind mit ihren Containerbrücken auf diese Schiffe vorbereitet. Doch die Anbindungen an das Inland, die Straßen und Schienen der Metropolregion, sind es in keiner Weise. Wenn der Engpass des Elbfahrwassers nach jahrelanger Vorbereitung beseitigt ist, werden die Nadelöhre jenseits der Kaikanten im Hafen umso deutlicher in Erscheinung treten. Eine besonders kritische Stelle ist die Hamburger Köhlbrandbrücke, das zentrale Bauwerk im Hafen aus den 1970er-Jahren. Die Bausubstanz der Brücke ist viel stärker verschlissen als einst geplant.

Die Region Hamburg ist für den erhofften Boom des Containerverkehrs in den kommenden Jahren nicht gerüstet. Hinzu kommt obendrein ein wachsender Umschlag von Massengütern und schwerer Projektladung. Vor allem auf den Straßen wird es bedrohlich eng werden. Das Gemenge von Güter- und Personenverkehr führt schon heute zu einer meist angespannten Verkehrslage in der Stadt und in der Peripherie. Verstopfen dann auch noch Elbtunnel oder Elbbrücken, geht nichts mehr. Zugleich stehen alle Zeichen auf Wachstum.

Man mag der Bundesregierung zugutehalten, dass sie in der Finanzmarktkrise der vergangenen Jahre Wichtigeres zu tun hatte, als Verkehrspläne für Norddeutschland zu entwerfen. Man mag Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU), einem gestandenen Bayern, gern glauben, dass er die Bedeutung der norddeutschen Häfen für die gesamte deutsche Volkswirtschaft hoch schätzt. Doch wem nützen Nachsicht und Verständnis für die Politik in Berlin?

Im Norden geht es nicht voran. Die geplante Hafenquerspange - eine Verbindung zwischen den Autobahnen 1 und 7 südlich des Hafens - gilt längst als Synonym für ein Verkehrsprojekt, das jahrzehntelang auf kleiner Flamme köchelt und dennoch nicht gar wird. Die Y-Trasse, die auch dem Güterverkehr auf der Nord-Süd-Route dienen soll, kommt seit Jahren über eine grobe Planung nicht hinaus. Die Schleusen des Nord-Ostsee-Kanals in Brunsbüttel, unverzichtbar für die Schifffahrt zwischen Hamburg und Ostsee, werden in buchstäblich letzter Minute saniert und erweitert - kurz bevor an den Bauwerken aus der Kaiserzeit nichts mehr geht. Das renovierungsbedürftige Schiffshebewerk in Scharnebeck bei Lüneburg, Zugang von der Elbe in den Elbe-Seitenkanal, steht neuerdings nicht mehr auf Ramsauers Dringlichkeitsliste.

Große und notwendige Ausbauprojekte auf dem Wasser, der Straße und der Schiene müssen jetzt vorangetrieben werden, wenn sie in der nächsten Dekade den Verkehr im Norden entlasten sollen. Pläne müssen her, mit rein öffentlicher Finanzierung oder unter Beteiligung der Privatwirtschaft. Von der Planung bis zum ersten Griff einer Baggerschaufel vergehen Jahre. Der Kampf um die Elbvertiefung zeigt das allzu deutlich.