Euro-Bonds sind gefährlicher Unsinn, Deutschland-Anleihen kaum besser

Clever ist Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) zweifellos: Sein jüngster Vorstoß, gemeinsame Anleihen von Bund und Ländern aufzulegen, kommt zum perfekten Zeitpunkt. Angela Merkel ringt um die Zustimmung zum Fiskalpakt und benötigt die Unterstützung der Länder. Zudem hat sich Hamburgs Bürgermeister vorab der Unterstützung durch Peter Harry Carstensen in Kiel vergewissert. Die CDU in Schleswig-Holstein kämpft bei der Wahl um die Poleposition im Land und benötigt jede Hilfe aus Berlin. Mögliche Deutschland-Anleihen kämen beiden recht. Sie würden dank niedrigerer Zinsen den Schuldendienst erleichtern - und das Schuldenmachen verbilligen. Sparen ohne wehzutun, das klingt wie eine Münchhausen-Formel der Konsolidierung.

Genau hier liegt die Krux des Vorschlags. Natürlich betont Scholz, es ginge ihm nicht um die Zinsersparnis, sondern um die Zukunft der Kreditaufnahme. Dass der Haushalt um eine zweistellige Millionensumme entlastet würde, sagt er nicht. Etwas treuherziger ist da Schleswig-Holsteins Finanzminister Rainer Wiegard (CDU). Er rechnet schon mit Ersparnissen von 15 bis 30 Millionen Euro. Auch andere klamme Kämmerer haben schon mit Deutschland-Anleihen kokettiert. Von Berlin bis Bremen, vom Saarland bis Schleswig-Holstein hofft man auf Deutschland-Anleihen. Etwas überraschend ist allerdings, warum viele der Politiker gemeinsame europäische Anleihen, Euro-Bonds, wortreich ablehnen, während sie zugleich in Deutschland die Schulden vergemeinschaften wollen. Genau hier liegt die Gefahr gemeinsamer Anleihen: Der weniger finanzstarke Partner profitiert, weil der zahlungskräftigere mitbürgt. So schön das Solidarische in der Theorie ist, so unsozial wirkt es in der Praxis. Die Höhe der Zinsen diszipliniert die Haushälter - ja, die Märkte sprechen die einzige Sprache, die Politiker wirklich verstehen. Gemeinsame Anleihen verführen zum Haushalts-Harakiri.

Seit Jahrzehnten klaffen gigantische Löcher zwischen Einnahmen und Ausgaben bei Kommunen, Ländern, dem Bund, den europäischen Staaten. Erst die Schuldenkrise öffnet nun die Augen.

Und das nur langsam: Obwohl im zurückliegenden Jahr die Wirtschaft in Deutschland gewachsen ist, die Sozialkassen dank eines boomenden Arbeitsmarktes geschont wurden, die Steuereinnahmen sprudelten und die Zinsen auf Rekordtief notierten, lag die Neuverschuldung noch immer bei 17,3 Milliarden Euro. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) mag das für einen Erfolg halten - die Frage muss aber erlaubt sein, wann eigentlich jemals ein Überschuss erwirtschaftet werden soll, wenn nicht 2011?

Ausbaufähig ist auch die Bilanz des SPD-Senats. Natürlich muss der Bürgermeister die Zinssätze im Blick haben, den Fokus aber sollte er auf die Ausgaben legen. Zwar betont Scholz immer wieder sein weltläufiges Motto "Pay as you go" - "Gib nur aus, was du hast". In den vergangenen Monaten aber ging einiges, Scholz hat viel ausgegeben. Der Kauf weiterer Hapag-Lloyd-Anteile, der Einstieg in die Energienetze, die Senkung der Kita-Gebühren, Wegfall der Studiengebühren, Zugeständnisse an den öffentlichen Dienst gehen ins Geld. Für alle Wohltaten gab es Gründe, doch die Haushaltslage haben sie nicht verbessert. Sollen nun der Bund oder Bayern mit gemeinsamen Anleihen Hamburg entlasten? Ist die Hansestadt das Griechenland Deutschlands?

Natürlich nicht. Allerdings begann die Schuldenkrise in Südeuropa mit billigem Geld - gerade weil die Zinsen zu niedrig lagen, liefen die Haushalte aus dem Ruder. Völlig zu Recht wollen daher Bund und Hamburg bis 2020 die Schuldenbremse. Sie ist allemal zielführender als das Hoffen auf niedrige Zinsen. Auch wenn sich Deutschland nie günstiger refinanzieren konnte als heute, bleiben Schulden ein süßes Gift. Denn irgendwann werden die Zinsen wieder steigen.