Eine Glosse von Elisabeth Jessen

Einer arbeitet, drei schauen zu. Was man vom Bau kennt, stimmt auch, wenn ein paar Nachbarn sich zur Gartenarbeit verabreden. Der Baum, den der Nachbar vor vielen Jahren im Cabrio nach Hause gefahren hat, ist zu groß geworden für den überschaubaren Reihenhausgarten - er verschattet nun auch noch die Grundstücke links und rechts.

Bei der Aktion "Äste absägen" sind alle dabei: Einer holt die große, ausziehbare Leiter, der Nächste die elektrische Motorsäge, der Dritte das Verlängerungskabel aus dem Keller. Dann beginnt die Diskussion: Welche Äste können weg, welche müssen bleiben? Schließlich einigt man sich darauf, erst mal überhaupt anzufangen.

Aber wer klettert hoch? Der Jüngste? Oder der, dem die Motorsäge gehört, weil er sie wahrscheinlich am besten bedienen kann? Schließlich opfert sich der Älteste. Begründung: Der Baum stehe immerhin auf seinem Grundstück.

Die Leiter bindet er mit einem dünnen Kabel am Baum fest - gut, dass der Arbeitsschutz nicht zusieht. Dann sägt er los. "Zwischendurch ölen", tönt es von unten. "Von unten die Rinde ansägen", ein weiterer Tipp, "sonst haut der Ast gegen die Leiter und wirft dich runter." Aber der Ast bleibt zwischen den anderen hängen, was einen bislang unbeteiligten Nachbarn auf den Plan bringt - er kommt mit einer Harke. Weiter geht es, Ast um Ast. Die Holzspäne segeln durch die Luft und am Ende sehen alle aus, als hätten sie schwer gearbeitet. Und beim gemeinsamen Kaffee hinterher sind sich alle einig: Heute haben wir gemeinsam richtig was weggeschafft. Nachbarschaft kann so schön sein.