Der Nochmitinhaber der Thalia-Buchhandlungen, Jürgen Könnecke, über die Krise der Buchhandelskette und den Verkauf seiner Anteile.

Hamburg. Die Mitarbeiter bei Thalia sind beunruhigt. Bis zu 15 Filialen will die Konzernmutter Douglas bei der bundesweit größten Buchhandelskette schließen. Auch der ehemalige Inhaber von Thalia, Jürgen Könnecke, 76, verkauft jetzt seine Anteile an der Thalia-Holding, die inzwischen zum Douglas-Konzern gehört. Das Abendblatt sprach mit dem Hamburger über die Beweggründe für seine Entscheidung und die Zukunft der Geschäfte.

Hamburger Abendblatt: Warum haben Sie sich jetzt, zu diesem Zeitpunkt, von Ihren Anteilen getrennt?

Jürgen Könnecke: Eine so weitreichende Entscheidung reift über eine längere Zeit. Bereits 2005 habe ich mich aus der operativen Geschäftsführung zurückgezogen. Der heutige Schritt ist die logische Folge, meinem Wunsch nachzukommen, mehr Zeit und Raum für Familie, Freizeit und Hobbys zu schaffen. Mein persönliches berufliches Lebensziel, das ich mir gesetzt hatte, steht in keinem Zusammenhang mit der aktuellen Situation bei Thalia.

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Wie ist Thalia wieder auf einen Kurs mit guten Erträgen zu bringen?

Könnecke: Thalia hat die dramatischen Veränderungen kritisch beobachtet und früh darauf reagiert und die richtigen Weichen gestellt. Mit der aktuellen Neuausrichtung und den Mitarbeitern, die dahinterstehen, sehe ich Thalia für die Zukunft gut gerüstet. Ich wünsche natürlich allen Beteiligten die notwendige Fortune bei der Umsetzung der gemeinsam verabschiedeten Maßnahmen.

Wie schätzen Sie die Situation allgemein im Buchhandel ein?

Könnecke: Die Situation im Buchhandel ist besser, als sie derzeit insbesondere von den Medien dargestellt wird. Die Branche steht jetzt vor der Herausforderung, sich dem extrem hohen Tempo des Veränderungsdrucks, hervorgerufen durch eine große Kundenwanderung ins Internet, zu stellen, selbst ein aktives Onlinegeschäft zu betreiben und seinem traditionellen Kundenkreis den "Mehrwert" eines Besuches seiner Buchhandlung zu vermitteln. Buchleser wird es auch in Zukunft geben, die es vorziehen, das haptische Erlebnis eines Buchkaufes und eine fachlichen Beratung in einer Buchhandlung in Anspruch zu nehmen.

Werden Buchhandlungen in Zeiten von Amazon und Co. Bestand haben?

Könnecke: Selbstverständlich ja. Zwar wird die aktuelle Branchenumwälzung an keinem Marktteilnehmer spurlos vorübergehen, aber attraktive Buchhandlungen werden weiter ihre Existenzberechtigung haben. Im Ernst: Krisen gab es im Buchhandel schon immer, ich erinnere mich noch an die Unkenrufe, als das Fernsehen immer stärker wurde und prophezeit wurde, dass dies dem Medium Buch schade. Ich bin aber überzeugt davon, solange gute Bücher geschrieben werden und es interessierte Leser gibt, wird es sicher auch zukünftig ein verzweigtes Netz an Buchhandlungen geben - schließlich hat der Buchhandel ja auch eine kulturelle Aufgabe zu erfüllen.

Auf welche Veränderungen werden sich die Mitarbeiter bei Thalia und allgemein im Buchhandel einstellen müssen?

Könnecke: Handel ist Wandel - Veränderung gehört daher für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zum Alltag dazu. Natürlich sind die Veränderungen, die der Buchhandel und damit auch Thalia aktuell erlebt, einschneidender als üblich. Dennoch wird sich Thalia im Kern nicht verändern. Kompetente Beratung und ein kundenorientiertes Sortiment werden auch künftig im Vordergrund stehen, und dies ist nur möglich mit kompetenten und engagierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern.

Wie geht es den zwölf Thalia-Filialen in Hamburg?

Könnecke: Hamburg ist die Wiege Thalias, mit der Stadt eng verbunden und hat einen hohen Bekanntheitsgrad. Unsere Kunden schätzen die Nähe, die Beratung und das Ambiente unserer Läden, wir sind hier sehr stabil aufgestellt.

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Haben Sie die Fusion mit der Douglas-Buchtochter bereut?

Könnecke: Nein, nie. Es war der richtige Schritt zur richtigen Zeit. Ich blicke dankbar auf eine interessante Zeit zurück, mit vielen Höhen und wenigen Tiefen, auf viele gute Gespräche und wertvolle menschliche Begegnungen in einem hochprofessionellen, aber sehr persönlichen Umfeld.

Wie schwer ist es Ihnen gefallen, aus Ihrem ehemaligen Familienbetrieb jetzt auszuscheiden?

Könnecke: Natürlich habe ich mir aus emotionalen Gründen diese Entscheidung nicht leicht gemacht, schließlich hat mein Vater die kleine Thalia-Buchhandlung im Thalia-Theater 1931 gekauft, später bin ich in seine Fußstapfen getreten. Insofern sind mit der Geschichte von Thalia auch viele persönliche Erinnerungen verbunden. Darüber hinaus verabschiede ich mich ja auch von meinem persönlichen Lebenswerk nach rund 50 Jahren Tätigkeit im Buchhandel. Dennoch denke ich, dass der Schritt, mich jetzt aus dem Berufsleben zu verabschieden, in meinem Alter sicherlich nachvollziehbar ist.

Wie verbringen Sie jetzt Ihre Freizeit?

Könnecke: Ich bin ganz sicher, dass ich kein Problem habe, meine Freizeit zu nutzen. Ich werde mir Zeit nehmen, mal meine persönliche Bibliothek zu sichten, zu ordnen und das eine oder andere Buch erneut zu lesen, denn ein Leben ohne Bücher kann ich mir nun wirklich nicht vorstellen. Natürlich möchte ich mehr Zeit mit meiner Familie verbringen, schöne Reisen machen und mich auch häufiger auf dem Golfplatz sehen lassen.