Gästezahl hat sich verdoppelt. VIP-Service für betuchte Ausländer in Hotels und Kliniken. Gesundheitstourismus spielt wichtige Rolle.

Hamburg. Sie sind reich, und Hamburg möchte ihr Geld. Scheichs, russische Aufsteiger und chinesische Emporkömmlinge sind die solvente Klientel, um die mehr und mehr Hotels, Geschäfte und Krankenhäuser werben. Laut Handelskammer und Tourismus GmbH sollen noch mehr internationale Besucher angesprochen werden. Eine tragende Säule dabei: schwerreiche ausländische Gäste. Bislang wird nur jede fünfte der 9,5 Millionen Übernachtungen pro Jahr von Ausländern gebucht. Künftig soll jeder dritte Gast aus dem Ausland kommen, sagt Dietrich von Albedyll, Chef der Tourismus GmbH.

Im vergangenen Jahr gaben internationale Gäste erstmals mehr als eine Milliarde Euro bei steuerfreien Einkäufen in Deutschland aus, wie der Finanzdienstleister Global Blue ermittelte. Demnach hat das Buhlen um die überschaubare, aber kaufkräftige Gruppe der wohlhabenden Ausländer längst begonnen. In München etwa gehören Scheichfamilien zum Stadtbild, internationale Besucher kauften in der bayerischen Metropole 2011 für 228 Millionen Euro ein. Hamburg liegt in dieser Rangliste mit 60 Millionen Euro noch hinter Frankfurt, Berlin und Düsseldorf auf Platz fünf. Nicht nur deshalb wird nun der internationale Markt zu einem Schwerpunkt des Tourismus erklärt. Hamburg müsse für internationale Gäste generell ein "must see" innerhalb Europas werden, fordert etwa die Handelskammer in ihrem Strategiepapier.

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Dabei spielt der Gesundheitstourismus eine wichtige Rolle. In der kommenden Woche trifft sich eine Hamburger Expertenrunde zu diesem Thema. Schon jetzt bieten unter anderem das Universitätsklinikum Eppendorf (UKE) und die Endo-Klinik spezielle Angebote für Ausländer. 1000 internationale Patienten, vor allem aus den Golfstaaten und Osteuropa, suchten in den vergangenen zwei Jahren gezielt das UKE auf, um Herzerkrankungen oder Krebsleiden behandeln zu lassen, sagt Sprecherin Christine Jähn. Service und Komfort biete dieser Klientel ein eigener Geschäftsbereich mit internationalem Büro - und neuerdings auch das in unmittelbarer Nähe eröffnete Dorint-Hotel. In der Endo-Klinik versuche man, den vornehmlich russischen und arabischen Gästen nicht nur mit maßgefertigten Gelenkprothesen entgegenzukommen. "Auf Wunsch bieten wir auch Kooperationen mit Hotels, einen Shuttle-Service, Muttersprachler, Shopping-Angebote für die Familie und natürlich Gourmet-Gastronomie", sagt Corona von Poehl, Leiterin der Patientenverwaltung. Der Markt mit solventen Gesundheitstouristen sei noch nicht gesättigt. Im Gegenteil.

Mehr als doppelt so viele russische, chinesische und arabische Gäste wie noch vor zehn Jahren haben 2011 Hamburg besucht. Die Zahl stieg von 62 000 auf fast 150 000. Und selbst wenn sie insgesamt nur zwei Prozent aller Gäste ausmachen, "sind sie für die Wertschöpfung enorm wichtig", sagt Dietrich von Albedyll. Das bedeute nicht, dass nun das gesamte Tourismuskonzept auf diese Klientel ausgerichtet werde - Hamburg werde weiter als kontrastreiche Metropole beworben. Aber spezielle Projektgruppen arbeiten die Stadt als Spitzendestination für wohlhabend eingestufte Nationen heraus.

Geschäfte und Hotels in Hamburg tun ihr Übriges zur Attraktivitätssteigerung. So kooperiert etwa das Fairmont Vier Jahreszeiten - beliebt bei Familien aus dem arabischen Raum - mit dem Alsterhaus. "Einmal haben wir unsere Türen einem Scheich auch nach Ladenschluss geöffnet", weiß Silke Joost, Sprecherin des Alsterhauses. Hinzu komme ein VIP-Service, bei dem gut betuchte Gäste in einem Alsterblick-Zimmer eine Auswahl des Hauses präsentiert bekommen. Im Vier Jahreszeiten selbst steht Gästen - 20 Prozent sind Russen oder Araber - nach Bedarf ein eigener Muttersprachler zur Verfügung, sagt Sprecherin Julia Richter. Arabische Gäste, die gern eine gesamte Etage inklusive Präsidenten-Suite buchen würden, erhalten zudem ein Bet-Set mit Gebetsteppich, Koran und Kompass zur Ausrichtung nach Mekka.

Besonders kauffreudig zeigen sich die Chinesen in Hamburg. Tendenz: steigend, wie Sinologin und Gästeführerin Barbara Heyken sagt: "Shoppen spielt bei Chinesen eine große Rolle." Oft auch im Luxussegment. Hamburg-Besucher seien oft aus der reichen Ostküsten-Region Chinas, dementsprechend locker sitze die Brieftasche. "Und es werden immer mehr, immer jüngere", sagt Heyken. Seit 15 Jahren ist sie im Geschäft, hat namhafte Markenvertreter im Umgang mit asiatischen Kunden geschult. Am Neuen Wall werden seitdem Markenprodukte generell vor den Augen der Kunden eingepackt, was besonders die an Raubkopien gewöhnten Chinesen zu schätzen wissen.

Noch hinkt Hamburg mit 20 Prozent internationalen Übernachtungsgästen zwar München (45 Prozent) hinterher, was zum einen an den internationalen Flugverbindungen liegt. München hat 34 Millionen Passagiere pro Jahr, Hamburg rund 13 Millionen. "Zum anderen ist das Deutschlandbild im Ausland noch immer vom Süden, also von Oktoberfest und Kuckucksuhr, geprägt", sagt Sascha Albertsen, Sprecher der Tourismus GmbH. Deshalb will sich Hamburg als kontrastreiche Metropole des Nordens etablieren. Dazu gehört auch das Luxussegment.