Altbürgermeister profitierte selbst von CDU-“Klüngelstrukturen“, die er jetzt geißelt

In der Politik geht es nie nur darum, was gesagt wird, sondern immer auch, wer es sagt. Wenn der frühere Hamburger Bürgermeister und letzte CDU-Spitzenkandidat Christoph Ahlhaus seiner Partei jetzt "Klüngelstrukturen" und Personalentscheidungen aufgrund von Seilschaften vorwirft, dann ist ihm als Insider Aufmerksamkeit garantiert.

Ahlhaus hat recht: Die Elb-CDU ist eine Partei, in der Top-Personalien über einen langen Zeitraum von oben nach unten durchgesetzt wurden. Mehr noch: Auch inhaltliche Festlegungen wie der spektakuläre Kurswechsel in der Bildungspolitik hin zur sechsjährigen Primarschule vor vier Jahren fielen in einem engen Führungszirkel und wurden danach nicht breit in der Partei diskutiert.

Im Wesentlichen haben drei Kreisverbände die Macht in der Hamburger CDU unter sich aufgeteilt: Wandsbek, Nord und Altona. Gegen die drei, oder besser gesagt: ihre jeweils maßgeblichen Funktionäre, fast immer Männer, lief praktisch nichts. Der Rest war vielfach Schweigen.

Die innerparteiliche Demokratie ist über einen langen Zeitraum ein Mangelfach in der Hamburger CDU gewesen. Neu ist, dass es mit Ahlhaus jetzt auch einen prominenten Absender für die Kritik am System gibt. Die Sache hat nur einen Haken: Ahlhaus selbst war bis zum CDU-Wahldesaster vor einem Jahr Teil der von ihm heftig bekämpften Strukturen.

Gefördert von einflussreichen Parteifreunden nicht zuletzt aus seinem Heimatkreisverband, der CDU Nord, wurde Ahlhaus 2008 Innensenator. Seinetwegen musste der beliebte, aber parteilose Udo Nagel seinen Stuhl räumen. Es gebietet die Fairness hinzuzufügen, dass Ahlhaus ein fähiger Innensenator war.

Und als Ole von Beust längst amtsmüde war und sich zum Weitermachen nicht mehr überreden ließ, setzte sich Ahlhaus im Frühjahr 2010 bekanntlich als Nachfolger durch. Sein einziger Kontrahent war nicht zufällig der damalige Fraktionschef Frank Schira vom anderen mächtigen Kreisverband Wandsbek. Einer, der auch das Zeug zum Bürgermeister gehabt hätte, hatte in diesem Spiel keine Chance: Der heutige Fraktionschef Dietrich Wersich war nicht Teil einer Seilschaft, hatte keine Hausmacht.

Wenn Ahlhaus nun allerdings behauptet, die "Klüngelstrukturen" hätten sich in den zwölf Monaten seit der Bürgerschaftswahl besonders verfestigt, dann muss ihm widersprochen werden. Die CDU hat auf dem Weg einer Mitgliederbefragung mit Marcus Weinberg einen neuen Landesvorsitzenden gefunden. Das ist praktizierte Partizipation und das Gegenteil von Klüngelei. Die Partei übt eine neue Offenheit und Diskussionsfreude, indem sie sich eine umfassende Programmdebatte verordnet hat. Dass Dietrich Wersich heute Oppositionschef in der Bürgerschaft ist, hat zwar auch mit dem Mangel an Alternativen zu tun. Es beweist aber auch, dass die alten Machtstrukturen nicht mehr so festgefügt sind. Es ist schon so: Christoph Ahlhaus kritisiert die "Klüngelstrukturen" in seiner Partei in dem Moment, in dem er von ihnen nicht mehr profitiert. Insofern gilt der alte Sponti-Spruch: Die größten Kritiker der Elche waren früher selber welche.

Aus Ahlhaus' Rundumschlag spricht in erster Linie tiefe persönliche Verletzung darüber, wie seine Parteifreunde mit ihm umgehen: Er sieht sich als Opfer, weil er angeblich als Alleinverantwortlicher für die krachende Niederlage hingestellt wird. Richtig ist daran, dass er den höchsten Preis zahlen muss: Seine politische Karriere ist erst einmal beendet.

Und: Er verdächtigt Parteifreunde, die anonyme Anzeige mit dem Vorwurf der Vorteilsannahme im Zusammenhang mit seinem Hauskauf lanciert zu haben, um ihn loszuwerden. Diese Behauptung wiegt schwer. Hier sollte die Wahrheit schnell ans Licht.