Die Überschüsse der Krankenkassen sollten den Patienten zugutekommen.

Wenn es ausnahmsweise einmal etwas zu verteilen gibt, neigt die politische Klasse zur Hysterie. Das Gezerre um den Überschuss von 19,5 Milliarden Euro bei den gesetzlichen Krankenkassen nimmt immer groteskere Züge an. Dass sich Union und FDP in der Bundesregierung dabei streiten wie die Kesselflicker, ist schon gewohntes Berliner Treiben. Unbegreiflich jedoch, was sich Finanzexperten anmaßen. Mit den Beitragsüberschüssen der Versicherten sollen Haushaltslöcher gestopft werden. Durch einen Trick - einfach den Bundeszuschuss für die Kassen kürzen - könnte dieses Plündern gelingen. Allerdings ist die Gesundheit der Bürger ebenso wenig Manövriermasse wie die Kassenreserven.

Die Politik hat zu Recht keinen Zugriff darauf. Der Bundeszuschuss sorgt dafür, dass Kinder und Ehepartner mitversichert sind. Darauf verlassen sich Millionen Menschen. Im Handstreich lässt sich das nicht ändern bei den öffentlich-rechtlich organisierten Krankenkassen.

Die Unternehmen in Sachen Gesundheit sind kein Sparschwein, das man in guten Zeiten einfach schlachten kann. Der Streit über die Kassenguthaben wirft auch ein Schlaglicht auf die grundsätzlichen Fehler im System. Finanznot und Spardiktat sind hier programmiert. Aber anders als bei der Rentenversicherung ist ein Überschuss nicht vorgesehen. Die ansehnlichen Reserven haben mehrere Gründe: die gute Konjunktur, der Fleiß der Bürger, Sparbemühungen im Gesundheitswesen, der Druck auf Arzneimittelpreise, auch das Geschick im Kassenmanagement. Analog zur Rentenversicherung könnte man sagen: Wenn der Überschuss bei den Kassen eine gewisse Höhe erreicht hat, fließt Geld zurück. Irgendwie.

Tatsächlich wäre die charmanteste und einfachste Idee, die Praxisgebühr zu streichen. Das ist zwar eine populistische Forderung. Aber im Wortsinn zutreffend. Denn das Geld kommt ja vom Volk und sollte zu ihm wieder zurück. Die Praxisgebühr als Steuerungsinstrument gegen überflüssige und zu häufige Arztbesuche hat sich sowieso nicht bewährt. Das ist empirisch bewiesen. Das Geld auf andere Weise an die Versicherten zurückzuüberweisen wäre zu aufwendig, eine Beitragssenkung im Promillebereich unsinnig.

Doch trotz aktueller Überschüsse ist absehbar, dass in unserer alternden Gesellschaft die Gesundheitskosten auf Dauer steigen werden. Gute Medizin muss dennoch bezahlbar bleiben - für alle. Doch weiß niemand ganz genau, wie viel Geld welche Kasse in ihrer Kriegskasse hortet, um künftig eventuell Zusatzbeiträge zu vermeiden. Denn bei den Bilanzen wird getrickst. Gleichzeitig erhöhen die Krankenkassen den Druck auf Versicherte und Ärzte.

Am besten wäre es, den vom Staat verordneten Einheitsbeitrag wieder abzuschaffen. Die Versicherten würden dann wieder "mit den Füßen abstimmen" und ihre Kassenwahl auch mit Blick auf Preis und Leistung treffen. Wenn man spezielle Angebote einzelner Kassen transparenter für die Patienten machte, käme wieder mehr Wettbewerb ins System.

Der Beitragszahler versteht ohnehin nicht, warum sein Doktor ihm ein Rezept oder eine bestimmte Behandlung vorenthält, während die Versicherungen im Geld schwimmen. Und richtig wütend wird der Bürger, wenn er künftig auch noch für einen möglichen Pflegefall privat vorsorgen soll. "Pflege-Riester" - allein der Begriff ist eine Ohrfeige für die, die unverschuldet hilfsbedürftig werden.

Gesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) wollte die Kassenüberschüsse als Zuschuss für eine private Pflegeversicherung zweckentfremden. Damit hat er sich gewaltig blamiert. Aber einen Überschuss aus der gesetzlichen Krankenversicherung den Pflegebedürftigen zukommen zu lassen - das wäre doch eine Reform wert.