Claudia Roth vertritt grüne Werte, schadet aber der Partei

Keine Partei ist so unberechenbar wie die Grünen. Schuld daran ist ein Mann. Joschka Fischer machte die Grünen mächtig, er reformierte die Partei mit Pragmatismus und Autorität, sie wurde regierungsfähig, sie regierte, sie ist nun nicht mehr wegzudenken aus dem Parteienspektrum der Republik. Aber niemand weiß seit Fischer, wo die Partei steht. Vielleicht auch, wofür sie steht. Mit Fischer, hieß es, seien die Grünen erwachsen geworden. Wenn eine Partei erwachsen wird, heißt das zweierlei: Sie gewinnen Wahlen, und sie sind im Mainstream der Mächtigen angekommen.

In der Debatte um eine Spitzenkandidatur für die Bundestagswahl 2013 spiegelt sich die Lage der Grünen im Jahr 2012 idealtypisch: Volkspartei ja, aber bitte nicht zu viel. Wer soll antreten, und wenn ja, wie viele? Drucken die Grünen Fraktionschef Jürgen Trittin auf die Plakate, mischen sie wie alle anderen mit im Marketing der Wahlkampfmaschinerie. Die braucht vor allem klare Fronten. Und ein bekanntes Gesicht. Trittin hat beides.

Doch die Grünen haben Grundsätze, für die sie stehen - und mit denen sie so erfolgreich geworden sind. Einer dieser Grundsätze ist die Gleichstellung zwischen Mann und Frau. In der Satzung der Partei ist festgelegt, dass alle Posten paritätisch zu besetzen sind. Grünen-Chefin Claudia Roth tut gut daran, diese Haltung der Partei nun einer One-Man-Show Trittins entgegenzustellen. Roth forderte zudem eine Urwahl der Mitglieder über den oder die Kandidaten. Auch das, die Basisdemokratie, ist ein Wert, für den die Grünen eintreten. Und doch schadet Roth ihrer Partei mehr, als dass sie grüne Grundwerte vertritt. Denn mit ihren Forderungen rief sie zugleich ihre eigene Kandidatur aus - planlos treibt sie interne Machtkämpfe nach außen. Anderthalb Jahre vor der Wahl.

Doch auch eine Urwahl über die Kandidatur hätte nicht nur Vorteile. Sie würde zum Brandbeschleuniger im Konkurrenzkampf des Führungsquartetts um Fraktionschef Trittin, Renate Künast und den Parteivorsitzenden Roth und Özdemir. Den Grünen droht eine Zerreißprobe - auch ohne den mächtigen Fischer.